Petrus wettet mit dem Teufel
In einem Wirtshaus in Fischbach trafen sich zwei Fremde von recht verschiedenem Aussehen. Der eine war ein finsterer, schwarzhaariger Geselle unbestimmbaren Alters mit unstetem Blick, der andere ein älterer Mann mit grauem Haar und Vollbart, mit fröhlichen hellen Augen und gemessenem Wesen. Wie zufällig waren sie hier zusammengekommen und sie setzten sich gemeinsam an einen Tisch. Von der Wirtin ließen sie sich einen erfrischenden Trunk und eine kräftige Brotzeit auftragen. Nachdem sie sich über das Woher und Wohin ihrer Wanderung unterhalten hatten, merkten beide, daß sie das gleiche Ziel hatten, nämlich, sich im Inntal umzusehen und speziell auf dem Kleinen Madron, wie damals der Petersberg noch hieß. "Das ist jetzt mein Berg!" meinte der Ältere der beiden, und er stellte sich dem anderen nun vor als der Oberste der Apostel und Heiligen Jesu. Petrus hieße er. "Mir wird nämlich das Kirchlein, das erste hier im Inntal, das da oben erbaut wird, geweiht werden. Land und Leute drum herum gehören dem einzigen wahren Gott im Himmel. Was Wunder, daß ich dort hinauf will, um mir anzuschauen, was die frommen Menschen mir zugedacht haben, und wo sie Gott huldigen und zu ihm beten werden", erklärte er seinem Gegenüber. "Daraus wird nichts werden!" antwortete barsch der Schwarze. "Denn bevor du da hinauf kommst, werde ich oben sein und mit gewaltigem Donnerschlag zerstören, was du in Besitz nehmen willst. Keiner mehr wird dann dir die Ehre geben und an deinen Gott glauben. Alle sollen und werden auf mich hören!".
Um dem Streit ein Ende zu machen, schlug Petrus dem Teufel eine Wette vor: Wer von ihnen zuerst auf dem Gipfel des Berges wäre, dem sollte die Gegend gehören. Listig lächelnd schlug Satan in die Rechte des Petrus ein, um die Wette zu besiegeln. Sie beglichen ihre Zeche und machten sich auf den Weg.
Langsam schritt Petrus dahin, den Bergpfad hinauf. Der Teufel aber fuhr schnurstracks durch einen Felsenriß in die Höhe. Oben aber, wenig unterm Gipfel, versperrte ihm eine dicke Felsenplatte den Ausgang. Nun mußte er, so nahe am Ziel und am Gewinn der Wette, sich erst noch schrecklich abmühen, den Durchschlupf freizubekommen. Endlich hatte er das tonnenschwere Hindernis hochgestemmt. Doch da stand sein Widersacher auch schon vor ihm. Langsam und feierlich hob Petrus den rechten Arm und machte das Zeichen des Kreuzes. Da war der Böse bezwungen und auf demselben Weg, auf dem er gekommen war, floh er nun in die Tiefe hinab, in seine Hölle. Die Felsspalte gibt es noch heute, ihr Inneres ist schwarz und glitschig. Die Leute nennen sie "das Teufelsloch".
Das Peterskirchlein auf dem Berg hoch überm Inntal wurde um das Jahr 640 vom heiligen Vitalis, seinerzeit Bischof von Salzburg, dem heiligen Petrus geweiht und seither trägt auch der Berg den Namen des großen Gottesmannes. Es wurde 956 von den Hunnen beraubt und niedergebrannt. Darauf bauten Wessobrunner Mönche Kirche und Klösterchen neu auf. 1546 wurde es abermals zerstört, diesmal im Erbfolgekrieg durch die Österreicher. Deutschlands höchstgelegene Bergbauern auf der Hohen Asten (1105 m ü. d. M.) errichteten auf den alten Fundamenten die Kirche wieder.
Der Pfarrer dort oben, den man den Probst vom Petersberg nannte, war
dann auch noch Lehrer für die Bergbauernkinder der Umgebung. Das
war die kleinste und am höchsten liegende Schule in Deutschland.
Sie wurde von drei bis zehn Kindern aller Jahrgänge besucht. Der
Probst betrieb aber auch noch eine kleine Landwirtschaft und sorgte zusammen
mit seiner Haushälterin auch für Erfrischung und Stärkung
der Wanderer und Wallfahrer, die er in seiner Gaststube bewirtete. So
war der Probst vom Petersberg Pfarrer, Lehrer, Wirt und Bauer in einer
Person. Der letzte Probst verließ seinen "hohen" Posten
im Jahre 1956, um seinen Lebensabend mit seiner Schwester, die ihm den
Haushalt geführt hatte, im Dominikanerinnenkloster in Oberaudorf
und später in Brannenburg zu verbringen. Es war Pfarrer Obholzer,
der aus einer Wirtschaft in Frasdorf stammte. Bei seinem Umzug vom Petersberg
herab war an der Steilstelle beim "Teufelsloch" der an einen
Traktor angehängte Wagen mit einem Teil seines Hausrats vom Wege
abgekommen und in die Tiefe gestürzt.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 92