Der bestrafte Raufer
Unter den Bergler-Buam gab es schon immer eine große Zahl von Burschen, die ihre Kraft und Behendigkeit nur zu gern bei Raufereien demonstrierten. Bekannt dafür waren die vom Großen Berg, aber auch die Samerbergler, und sie sind es heute noch. Wer beim Raufen alle anderen Burschen der Gegend überwunden hat, der durfte stolz den Ehrentitel "der Hagmoar" tragen. Das Wort "Hag" bedeutet soviel wie "abgegrenzter Bezirk", und der "Moar", gleich "Meier", war eben der Meister darin, der Meister im Raufen also. Der Hagmoar trug die Spielhahnfeder auf seinem Hut vorne, nicht hinten, und duldete nicht, daß es ein anderer auch so machte.
Da wünschte sich einmal ein junger Mann, der wegen seiner Kraft weit und breit bekannt und gefürchtet und der Hagmoar war, in seinem Übermut, der Teufel selbst sollte kommen und ihn zum Raufen herausfordern. Gar oft ließ er sich prahlerisch vernehmen: "Ich nehm's auch mit dem Teufel auf!".
Als dieser Bursche einmal in einer mondhellen Nacht durch den Bergwald zutale schritt, erscholl auf einmal ein helles Jauchzen. Gleich darauf kam um die Wegbiegung ein fescher, flotter Mann ihm entgegen. Der hatte die Spielhahnfeder vorne auf seinem Hut aufgesteckt. Statt eines Grußes rief dem Fremden der Hagmoar zu: "Tu die Feder da weg! Ich leid's nicht, daß du sie vorne trägst!". Der andere antwortete: "Ich mag aber nicht!".
Da fiel auch schon der Hagmoar über den anderen her. Dieser aber packte ihn mit einem Griff wie ein Schraubstock an beiden Armen, daß er vor Schmerz aufschrie. Denn es war ihm, als ob glühende Zangen ihn gefaßt hätten. Der Widersacher blies ihm auch noch helle Feuerflammen mitten ins Gesicht, und dann kam es dem Burschen vor, als ob er in der Luft hin und her gebeutelt würde. Fast schmerzhaft laut drang höhnisches Gelächter in seine Ohren und dann verlor er die Besinnung.
Als er wieder zu sich kam, fand er sich unter den Bäumen irgendwo mitten im Wald liegend. Er war furchtbar zerschunden und zerkratzt und blutete aus vielen brennenden Wunden. So lag er da mutterseelenallein und fühlte sich wie ein geschlagener Hund. Alle Knochen taten ihm weh. Der Fremde aber war verschwunden.
Langes Kranksein hatte diese nächtliche Rauferei zur Folge, die
so ganz anders ausgegangen war, als der Hagmoar es gewohnt war. Er glaubte
felsenfest, daß der Teufel persönlich sein Gegner gewesen war.
Als er nach ein paar Wochen wieder ganz gesund war, ließ er sich
den letzten Zweikampf zur Lehre sein und gab das Raufen für sein
Lebtag auf.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 59