Der Teufel, die Pfarrersköchin und der "Graue Stein" auf dem Wildbarren
Vor vielen, vielen Jahren schien sich an einem heißen Sommerabend über den Bergen ein furchtbares Donnerwetter zusammenzubrauen. Über den düsteren Himmel jagten schwarzblaue und grauweiße Wolken, sodaß unheimliche Schatten über die Berge und durch die Täler huschten. Beim Schindelberger lugten sie ängstlich von der Labn (Balkon) hinaus und beobachteten das bedrohlich scheinende Spiel am Himmel und schauten hinunter in die finstere Auerbachschlucht und hinaus ins Inntal, wo hell und dunkel ständig wechselten. Auf einmal fing es an, in allen Ecken des Hauses zu knistern und gleich darauf erschreckte ein fürchterliches Krachen draußen die Leute in der Stube, wie sie es noch nie bei einem Gewitter vernommen hatten. Die Wetterkerze, die sie brennend auf den Tisch im Erker gestellt hatten, verlöschte sogar. Sie waren wahrlich allerhand Unwetter gewöhnt, aber das da hörte sich an, als ob ein Berg einstürzte und Fels und Baum und Strauch durcheinanderwirbelten. Da mischte sich in all das Toben auch noch Peitschenknallen. Ziemlich verängstigt schauten die Schindelberger noch immer zu den Fenstern hinaus. Aber was war das?! Am Schindelberger Holz erwuchsen zwei Riesenfiguren. Immer noch größer wurden sie im Vorüberziehen unten am Waldrand. Mit einer Riesenschlaipfe, einem Karren auf Kufen, mühten sich die beiden Gestalten ganz schrecklich ab, einen Riesenstein von enormen Ausmaßen den steilen Berghang heraufzuziehen. Von hundertfachem Peitschenknall wurden sie angetrieben. Und nun konnte man sie erkennen: Es waren der Teufel und eine alte Pfarrersköchin.
Kaum waren die beiden stampfend, prustend und fluchend hinter dem Wiesenbuckel verschwunden, da hellte sich auch die Natur wieder auf. Warum und wofür diese beiden die schreckliche Buße wohl auferlegt bekommen hatten? Niemand wußte es zu sagen.
Als die Schindelbergerleute dann hinabeilten über den Anger, um
die tiefen Furchen zu besehen, die die schwere Schlaipfe hinterlassen
hatte, da sahen sie, ihnen nachgehend, daß der große, graue
Stein auf des Schindelbergers Grund liegen geblieben war. Dort aber liegt
er immer noch, und sechs nebeneinander verlaufende Vertiefungen an einer
Seite des Steins sind die Eindrücke, die die "Schloapfhackln"
hinterlassen haben.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 68