Das Grab der Zigeunerin
Auf halbem Weg in die Jachenau kommt auf der linken Seite der Jachen eine frische Quelle den Berghang herunter. Sie hat den merkwürdigen Namen "zur Zigeunerin". Einmal lagterte dort ein Trupp Zigeuner. Sie hatten eine wunderschöne junge Frau ihres Stammes bei sich, die dann während der Nacht starb. Die Zigeuner erhoben ein großes Wehklagen, schaufelten ein Grab und legten den Leichnam, angetan mit reichem Gold- und Silberschmuck, hinein. Auch eine große Kiste Gold gaben sie ihr mit in die Erde. Anfangs kamen sie alle sieben Jahre zurück; später blieben sie aus und niemand kümmerte sich mehr um das Grab. Jetzt hängt eine Tafel mit einem Bild der Zigeunerin an einem Baum; aber genau weiß niemand die Stelle und die Tiefe des Grabes.
Andere erzählen die Geschichte so:
Auf dem Weg nach Letten ist an einem großen Tannenbaum hoch oben das Bild einer Zigeunerin angebracht. Vor langen Jahren wohnte an diesem Ort ein Zigeunerpaar. Einmal kam der Mann betrunken und ganz wild heim. Da haute er seiner Frau, die schon älter war wie er, einen Prügel auf den Kopf, daß sie gleich hin war. Dann sagte er zu seiner toten Frau: "Ölte, hoscht die Welt lang g'nua g'sech'n".
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Der Toni geht einmal am Kotloch beim Zigeunerbrunnen vorbei, da wächst vor ihm eine schwarze Gestalt aus dem Boden. Der Toni langt gleich nach seinem Messer und schreit: "Geh mir nit zuher auf drei Schritt oder du bist hin!" Dreimal schreit er ihn so an und springt auf ihn zu. Wie aber der zwei oder drei Mannslängen hoch vor ihm steht, kommt dem Toni erst der Schrecken. Alle Haare stehen ihm zuberg und er lauft davon.
Ein andermal hat den Toni wieder ein Gespenst verfolgt, das Pfeiferl. Vom Demmelstiegl ist es ihm nach bis zur Brucken.
Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;