Der Hausgeist im Glasl
Vor der Klosteraufhebung hielt einmal ein fremder Mann mit seinem Wagen in Tölz beim untern Kerschbräu an und bot auf offenem Markt einen "spiritus familiaris" feil. Das war ein kleiner Geist, den er in ein Glasl eingesperrt hatte und wie sie auch von den Venedigern in den Handel gebracht wurden. Wer ihn kaufte, sollte von dem Geist jeden Tag acht Kreuzer bekommen und obendrein noch Glück haben im Spiel und in allen seinen Geschäften. Die Tölzer hielten das für sündhaft und trauten sich nicht recht zugreifen.
Aber ein Knecht auf dem Buchberg hätte gern einmal so einen "Teufel
im Glasl" gehabt. Sein Freund wollte sich einen Spaß mit ihm
machen und versprach, einen solchen "Spiritus" zu besorgen.
Er hatte es gar nicht so ernst gemeint, und als er schon nicht mehr daran
dachte, mahnte ihn der andere. Da brachte er ihm einen Mistkäfer,
den er unter dem Schweif eines Rosses gefunden hatte. Der andere setzte
den Käfer in ein Glas und badete ihn alle Tage, wie es sein muß.
- Nach einiger Zeit fragte ihn der Loder nach seinem Spiritus. - "Zwei
Kreuzer bringt er mir halt alle Tage ein; jedesmal, wenn ich aufstehe,
habe ich sie im Sack." - Da wurde es dem zweierlei und er beichtete
die Sache bei den Franziskanern. Der Pater wollte ihn nicht absolvieren,
bis er den Käfer wieder an seinen Platz getan hätte. Mit Mühe
bekam er das Tier wieder zurück. Als er den Käfer unter den
Schweif des Pferdes setzte, tat es einen Knall, wie wenn das ganze Haus
zusammenfiele. Noch vor hundert Jahren hat ein Krämer und Tändler
zu Tölz einen solchen Spiritus gehabt, hat ihn jeden Tag gebadet
und dann unter seine Waren gestellt. In dem Glas war ein daumengroßes,
dopfenartiges Teufelchen.
Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;