Der Baumeister und der Teufel
Die Geschichte des Teufeltrittes wird auch so erzählt: Der Baumeister des Münchner Domes schloß vor Beginn des schwierigen Werkes einen Pakt mit dem Höllenfürsten. Dieser verpflichtete sich darin, ihm beim Bau der Kirche behilflich zu sein. Ganghofer versprach dafür, das Gotteshaus so zu errichten, daß kein Fenster darin zu sehen sei. Als Sicherheit für den Vertrag bot der Baumeister seine Seele.
"Ich kann bei dem Handel nur gewinnen!" dachte der Teufel vergnügt und rieb sich die Hände. "Entweder wird das Gotteshaus unnütz, denn wenn es keine Fenster hat, geht kein Mensch zum Beten hinein, oder aber die Seele des Baumeisters ist mein, wenn er sich nicht an die Abmachung hält."
Fleißig unterstützte er daher den Bau, schuftete und mühte sich ab, daß er möglichst schnell fertig würde. Als die Kirche endlich vollendet und geweiht war, bemerkte der Höllenfürst mit nicht geringem Ärger den Zulauf, den das vermeintlich völlig dunkle Gotteshaus hatte. Zornig begab er sich sogleich zum Baumeister und forderte dessen Seele.
"Du hast dich nicht an unsere Abmachung gehalten!" schnaubte er. "Ich habe dir nur unter der Bedingung geholfen, daß du die Kirche ohne Fenster baust. Nun bist wenigstens du mein!"
Doch der pfiffige Baumeister entgegnete:
"Freilich habe ich mich an unsere Abmachungen gehalten. Komm mit und überzeuge dich selbst!"
Er führte den Teufel zu einer Stelle unter der Orgel, weiter hinein durfte der Höllische nicht, weil die Kirche schon geweiht war. Dort forderte er ihn auf:
"Nun schau, ob du irgendwo ein Fenster siehst!"
So sehr der betrogene Teufel auch den dürren Hals reckte und Ausschau
hielt, er konnte kein Fenster erblicken, denn auch dasjenige am Ende des
Kirchenschiffes war damals von den Aufbauten des Hochaltars, die weit
hinaufragten, völlig verdeckt. Da stampfte der überlistete Höllenfürst
vor Wut so fest auf den Boden, daß der Tritt sich in den Stein eindrückte,
und fuhr in die Hölle zurück. Der Tritt des Satans ist aber
noch heute unter der Orgel zu finden. Von dieser Stelle aus ist wirklich
in der ganzen Kirche kein Fenster, bis auf dasjenige hinter dem Hochaltar,
zu sehen.
Quelle: Gisela Schinzel-Penth, Sagen und Legenden
von München, Frieding 1979, S. 71 - 72.