Der Mehlsack
In der Stadt Aschaffenburg wohnte ein Mann, der hatte unter Tag fleißig gearbeitet und ging am Abend hinaus in die Eckertsmühle, um Mehl zu holen, damit seine Frau am anderen Morgen Brot backen könne. Es war schon bald Mitternacht, als er den "Stummel" Mehl heimwärts trug. Da sah er plötzlich eine lichte, hohe Gestalt herankommen und hinter ihr ein großes Gefolge. Der Mann dachte sogleich: das muss die Frau Holle sein! Er empfand keine Furcht, sondern blieb stehen. Und als der Zug vorüber kam, nahm er die Mütze ab und sprach ehrerbietig: "Sei gegrüßt, Frau Hull, mit dei'm ganze Gezull!"
Und die Frau erwiderte freundlich:
"Ich grüße dich auch mit deinem Sack, deine Frau soll's ganze Jahr draus back!"
Nach diesen Worten zog sie weiter, und der Mann ging nach Hause. Seine Frau schüttete am nächsten Tag das Mehl in die Backmulde und legte den leeren Sack beiseite. Doch abends befand sich in dem Sack wieder ebensoviel Brotmehl wie zuvor. Und so geschah es nach jedem Backen ein ganzes Jahr lang, genau, wie die Frau Holle es vorausgesagt hatte.
Quelle: Spessart-Sagen,
Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 29 - 30.