Walter von Kerpen
Im Winter des Jahres 1627 lief von jenseits des Maines ein Pferd in der Richtung nach der Stadt Aschaffenburg. Das Ross trug zwar einen Sattel, aber keinen Reiter. Die Zügel hingen ihm lose und wirr am Kopfe, und zu den Seiten baumelten die Steigbügel. Was war geschehen?
Das schweißgebadete Pferd rannte über die Brücke durchs offene Tor, als wäre es von der Angst gejagt und sauste alsdann "den Windfang" hinan, wo es einige beherzte Männer aufhielten und zum Stehen brachten. Das edle Ross zitterte und schäumte, und in seinen Augen flackerte es von Furcht und Entsetzen.
Wo war der Reiter geblieben? Es musste ihm ein Unglück zugestoßen sein. Man ging den Fußspuren nach, die sich deutlich im frisch gefallenen Schnee zeigten, und fand drüben, kaum dreißig Minuten entfernt, auf der ebenen Flur den toten Herrn des flüchtig gewordenen Rosses. Der Tote war der junge Ritter Walter von Kerpen, und neben ihm kniete ein Knappe und bekannte reumütig seine Schuld. Er hatte mit noch ein paar anderen den Ritter meuchlings ermordet.
An der Stelle, wo der Mord geschah, in der heutigen kleinen Schönbuschallee, wurde ein Denkmal errichtet. Es stellt einen barhäuptigen, aber sonst geharnischten Rittersmann dar, der vor einem Steinkreuze kniet. In den steinernen Unterbau sind nachstehende Zeilen gegraben, die ungefähr lauten:
"Anno 1627, den 6. Februar, ist an diesem Ort erbärmlicher- und unversehenerweise mit vier tödlichen Schüssen von ...... ermordet worden, der wohlehrwürdige und wohledle Herr Johann Walter von Kerpen, Sankt Johannes-Ordens-Ritter in dem 25. Jahre seines Alters, dessen Seele der allmächtige Gott gnädig und barmherzig sein wolle und haben seine sämtlichen traurigen Herrn Brüder zum ewigen Gedächtnis der an ihrem liebsten Herrn Bruder selig verübten schändlichen Mordtat dieses Epitaphium allhier aufrichten lassen, so geschehen anno 1628."
Die Namen der Meuchelmörder wurden jedenfalls von Verwandten und Freunden derselben herausgemeißelt.
Quelle: Spessart-Sagen,
Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 19 - 20.