SAGEN VOM SCHNEE

Als unser Herr alles erschaffen hatte, Gras und Kräuter und Blumen und ihnen die schönen Farben gegeben, in denen sie prangen, machte er zuletzt den Schnee und sagte zu ihm: "die Farbe kannst du dir selber suchen; denn du frißt ja so alles." Der Schnee ging also zum Gras und sagte: "gib mir Deine grüne Farbe!" Er ging zur Rose und bat um ihr rotes Kleid, dann zum Veilchen und wieder zur Sonnenblume; denn er war eitel und wollte einen schönen Rock haben. Aber Gras und Blumen lachten ihn aus und schickten ihn des Weges. Da setzte er sich zum Schneeglöckchen und sagte betrübt: "wenn mir niemand eine Farbe gibt, so geht es mir wie dem Winde, der nur darum so bös ist, weil man ihn nicht sieht." Da erbarmte sich das Blümlein und sprach bescheiden: "wenn dir mein schlechtes Mäntelchen gefällt, magst du es nehmen." Und der Schnee nahm es und ist seitdem weiß; aber allen Blumen bleibt er feind, nur nicht dem Schneeglöckchen.

Regen und Schnee gingen einmal über Land und kehrten bei einem Bauern zu. "Gib uns zu essen", sagten sie, "sonst bringst Du uns nicht an!" Der Bauer erschrak, griff nach einem Topfe auf dem Herd und sagte: "da habt ihr was! Den Deckel könnt ihr selbst abtun!" Als sie dieses taten, fuhr der heiße Dampf heraus und vertrieb den Regen zum Dache hinaus und den Schnee in den Fußboden.

Schönwerth (und Wenz)

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen