Das Haus mit den Widderköpfen.
In Berlin, Alexanderstraße No. 45, steht ein Haus, an dem eine Anzahl Widderköpfe angebracht sind; der Grund dieses Abzeichens soll folgender gewesen sein. Friedrich der Große hatte einem auf dem jetzigen Alexanderplatze wohnenden Bürger für mehrfache Verdienste um die Stadt ein schönes Haus bauen und mit mehrern Statuen zieren lassen. Ein Nachbar desselben, welcher an der Ecke der neuen Königsstraße wohnte, beneidete denselben natürlich um die ihm wiederfahrene Auszeichnung und sann darauf, wie ihm selbst eine gleiche zu Theil werden könne. Er erbot sich also gegen den König, einige reiche Stiftungen für die Armen zu machen, und der König, der dieselben annahm, konnte nicht wohl anders, als den Bittsteller durch ein ähnliches Geschenk, also den Bau eines Hauses ehren. Er that dies um so lieber, als ihm dadurch Gelegenheit geboten ward, seinen Lieblingswunsch, seine Residenz mit möglichst vielen neuen, schönen Häusern zu schmücken, zu erfüllen. Das Haus ward gebaut und dem neuen Besitzer übergeben, allein als der König später dasselbe besuchte, um sich von der Ausführung seines Bauplanes zu überzeugen, zeigte der aufgeblasene Bürger so wenig Freude über das königliche Geschenk, daß es dem König selbst auffiel und derselbe ihn frug, ob denn das neue Haus nicht nach seinem Geschmacke sey. Jener aber versetzte, daß dies allerdings der Fall sey, daß er aber gehofft habe, der König werde ebenso, wie er das Haus seines Nachbars durch schöne Statuen geziert, auch sein Haus durch ein solches Zeichen seiner Gnade schmücken. Der König beschloß, den Unverschämten empfindlich zu strafen und versprach ihm auch, seine Bitte zu erfüllen. Schon am nächsten Tage erschien bei dem Bürger ein Künstler, der nach einer Ordre des Königs das neue Haus mit einem Abzeichen, nämlich 99 Widder- oder Schafsköpfen schmücken mußte. "Mit den neun und neunzig Abzeichen wird Er hoffentlich zufrieden sein," schrieb ihm der König, "für den hundertsten Schafskopf aber sorgt Er wohl selbst." Die Zahl jener Köpfe ist jedoch im Laufe der Jahre unvollständig geworden.
Quelle: Grässe, Johann Georg Theodor, Sagenbuch
des Preußischen Staates, Glogau, 1868/71, S. 176.