Die Prinzessin im Markgrafenstein.
Einige erzählen, in dem nun gespaltenen Markgrafenstein, dessen eine zu einer großen Schale verarbeitete Hälfte auf dem Lustgarten zu Berlin steht, da habe seit alten Zeiten eine Prinzessin gewohnt, denn innen sei er ganz hohl gewesen und die fast viereckige Vertiefung, die man noch an der zurückgebliebenen Hälfte sehe, das sei das Fenster des Schloßes gewesen. Als aber der Stein zersprengt wurde, ist die Prinzessin schnell aus der einen Hälfte herausgesprungen und in die andere hineingegangen, und man hat auch gesehen, daß ihr ein kleines Hündlein gefolgt ist.
Andere sagen, es sei keine Prinzessin, die hier wohne, sondern ein Mädchen, das hier in der Nähe die Kühe gehütet; das sei nämlich auf einmal verschwunden, und da man vermuthet, daß der Teufel sie mit sich in den Stein genommen, so hätten sich ihre Brüder aufgemacht, um sie wieder aus dem Steine herauszuhauen. Sie sind mit großen Hämmern gekommen und haben die Blöcke, die ehemals zur Seite des Steines lagen, abgehauen, aber endlich, sagt man, hätten sie doch von der fruchtlosen Bemühung abgestanden. So sitzt sie denn noch im Steine und kann nur an einem Freitag in der Mitternachtstunde von einem, der mit einem weißen Specht kommen wird, erlöst werden.
Quelle: Kuhn, Adalbert, Märkische Sagen und Märchen
nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin, 1843.
Nr. 95, S. 189.