Der Apfelschimmel im Mondschein.
Zwei junge Burschen gingen spät Abends bei Mondschein aus der Stadt, und wandten sich dem Blocklande zu. Dort wollten sie sich übersetzen lassen, um nach Ritterhude zugelangen. Bei der Capelle sahen sie einen wunderschönen Apfelschimmel mit lang herabwallenden Mähnen, und der jüngere Bruder lud den ändern ein, mit ihm das Thier zu besteigen; sie würden auf diese Weise gar schnell und bequem ans Ziel gelangen. Vergebens stellte der ältere Bruder dem Unbesonnenen, wie er nicht Zügel, nicht Bügel hätte, und wie die Queergräben ihm auf Schritt und Tritt hinderlich sein würden. Der jüngere verabredete kurz, in welchem Wirthshause sie sich im Blocklande wieder zusammen finden wollten, sprang mit einem raschen Satze auf das Thier, und Roß und Reiter waren nur noch wenige Augenblicke sichtbar; auch der letzte Hufschlag verhallte bald in weitester Ferne.
Der Zurückgebliebene war verdrießlich, daß er sich durch seine Zaghaftigkeit von dem Ritt hatte zurückhalten lassen und arbeitete sich mißmuthig durch die beschwerlichen Wege. Endlich langte er bei dem bezeichneten Wirthshause an und dachte, seinen Bruder zu finden, der wenigstens vor einer Stunde schon eingetroffen sein mußte. Aber man denke sich sein Erstaunen, als diesen weder der Wirth noch das Gesinde gesehen haben wollten! Kommen mußte er, das wußte er wohl, und deswegen beschloß er, ihn zu erwarten, wenn es auch noch so spät darüber werden sollte.
Aber eine Stunde verging, und noch eine, ohne daß sich der Ersehnte blicken ließ, und Mitternacht war längst vorüber. Da endlich öffnet sich die Thür, und der jüngere Bruder tritt herein, ohne Hut und Stock mit fliegenden Haaren. So wie er aufgesessen, erzählte er, sei das Thier mit ihm davon gerannt, wie toll und wild über Stock und Block, bis vor Lilienthal der Renner ihn an den Grund gesetzt habe und spurlos verschwunden sei. Nur mit großer Anstrengung habe er den Rückweg wieder finden können.
Jetzt sahen wohl Alle zusammen, daß dies der Schimmel gewesen,
den man schon seit undenklichen Zeiten beim Mondschein im Felde gewahren
kann, und der Reiter konnte Gott danken, daß ihm nichts Schlimmeres
begegnet sei.
Quelle: Friedrich Wagenfeld, Bremen's Volkssagen, Bremen 1845, Zweiter Band, Nr. 3