Das Butter-Entziehen
Zwei Bauermädchen gingen mit einander zur Stadt, und als sie bei Wacker-Alheid in Oslebshausen vorüberkamen, stand die Frau selber unter der Hausthür und butterte. "Komm," sagte da die eine Dirne zu ihrer Begleiterin, "wir wollen die Butter mitnehmen." Da lachte die Andere und ging mit ihr vom Wege abwärts, bis wo die Weser tief ins Land eindringt. Denn sie dachte nichts Arges dabei und glaubte die Andere wolle einen Scherz machen. Die zog ein kleines weißes Stäbchen aus der Tasche und schlug damit viermal ins Wasser, worauf vier Pfund Butter einzeln hervortauchten, welche die Dirne in ihren Korb legte und mit sich nahm. Denn die Butter war sauber aufgemacht zum Verkauf und fehlte nichts daran.
Gegen Abend, als die Mädchen zurückkehrten, blieb das Eine unter irgend einem Vorwande zurück. Denn sie fürchtete sich vor den Künsten der Andern, wollte nicht weiter bei ihr bleiben und ließ sie vorausgehen. Als sie bei Wacker-Alheid kam, sah sie, daß die Frau noch immer am Butterfaß stand. Da trat sie voll Mitleid zu ihr, sagte, sie solle sich weiter keine Mühe geben, da die Butter schon heraus wäre und erzählte Alles, was sie wußte.
Die Frau, welche so lange vergebens gebuttert hatte und nichts als Schaum
und Schaum im Fasse sah, war den ganzen Tag schon verdrießlich gewesen.
Nun aber fuhr sie zornig auf und machte der Dirne die härtesten Vorwürfe;
denn diese war es, welche die Frau im Verdacht hatte, und nur mit großer
Mühe gelang es ihr, die Alte zu besänftigen und ihr zu beweisen,
daß sie ganz schuldlos sei. Sie offenbarte auch der Frau, wie ihre
Begleiterin noch erzählt habe, daß kein Zauber der Butter etwas
anhaben könne, wenn man vorher unter das Faß das alte Hufeisen
eines Pferdes lege.
Quelle: Friedrich Wagenfeld, Bremen's Volkssagen, Bremen 1845, Zweiter Band, Nr. 18