Das feurige Rad.
Auf der Hofe wohnte ein Schlachtfuhrmann, der machte Hochzeit. Im Verlauf
des Abends, als die Gäste anfingen, wärmer zu werden, wandte
sich das Gespräch bald hierhin, bald dorthin, und man kam auch auf
die Zukunft der Neuvermählten zu sprechen. Da läßt es
sich denn leicht denken, daß die Mehrzahl der Anwesenden dem jungen
Paare ein gutes Auskommen, wohlgerathene Kinder und alles Wünschenswerthe
prophezeihten. Aber es waren einige alte Weiber in der Gesellschaft, die
es entweder dem wohlhabenden jungen Mann nicht vergessen konnten, daß
er nicht ihre Tochter zu seiner Hausfrau erkohren, oder die irgend einen
anderen Beweggrund zum Haß oder Neid haben mochten, vielleicht auch
bloß klüger scheinen wollten, als die Uebrigen. Die schüttelten
den Kopf und wollten doch nicht mit der Sprache heraus; und als man endlich
stärker in sie drang, sich näher zu erklären, da hatte
die Eine wunderliche Träume gehabt und die Andere Vorbedeutungen
gesehen, die sie auch nicht zum Besten auslegen konnte. Da wurde die Braut
ganz wehmüthig und wollte nicht hören auf die Trostreden des
Bräutigams und der andren Verwandtschaft. Denn es war nur zu sehr
die Klugheit der alten Weiber bekannt, wie viele andere Dinge so eingetroffen
seien, wie dieselben vorhergesagt; und die Seele der jungen Frau wurde
von den Schreckbildern der trostlosesten Zukunft erfüllt. In dieser
Stimmung begleitete sie auch die Verwandten, welche sich zeitig verabschiedeten,
mit ihrem Manne bis an die Hausthür und konnte sich nicht enthalten,
bitterlich zu weinen. Aber ihr Kummer wurde noch zur selbigen Frist in
Freude verwandelt; denn die Straße herab ertönte es plötzlich,
wie das Rasseln eines Wagens, der lustig daherfährt, die ganze Gegend
war erleuchtet von einem hellen fröhlichen Schein, und als es näher
kam und vorüber rollte, erkannte man deutlich, daß es ein mächtiges,
feuriges Wagenrad war. Welches Vorzeichen war wohl günstiger zu deuten?
Auch traf es ein, und wendete sich Alles zum Besten; das Geschäft
des Mannes hatte guten Anfang und den besten Fortgang, sein Wohlstand
gedieh vortrefflich, und zahlreiche Kinder und Enkel erheiterten den Lebensabend
des glücklichen Paares. Der schnöden Weissagung der alten Weiber
gedachte man später nur mit heiterem Scherz.
Quelle: Friedrich Wagenfeld, Bremen's Volkssagen, Bremen 1845, Zweiter Band, Nr. 20