Die wilde Jagd.
Eine Frau vom St. Stephan, welche um 2 Uhr Morgens zum Waschen bestellt war, ließ sich durch ihren Mann begleiten, weil es noch stockfinstere Nacht und der Weg nach dem oberen Theile der Stadt weit war. Als sie unterwegs sind, hören sie, wie die Stephansglocke hinter ihnen anfängt, zu schlagen; sie meinen es wird 2 Uhr sein. Aber wie groß ist ihr Erstaunen, als es nicht aufhören will mit Schlagen, bis der zwölfte Klang herunter ist.
Sie sehen jetzt wohl, daß sie sich Beide in der Zeit versehen haben
und wollen vorläufig nach Hause zurückkehren. Das ist aber zu
spät. Mit Saus und Braus kommt's die Straße herauf, eine Glaskutsche
hält, mit Hunden bespannt, und ehe unser Mann noch zur Besinnung
kommen kann, wird ihm die Halfter übergeworfen; er ist mit eingespannt,
und von Neuem geht es Straß' auf Straß' ab, ohne Ruh', ohne
Rast, bis es Eins schlägt. Da ist mit einem Male Alles verschwunden,
die Hunde und die Kutsche und die Damen drin, und der Mann steht allein
und hat keinen trockenen Faden an seinem ganzen Leibe. Schaudernd läuft
er zu Hause und erzählt seiner Frau, was ihm begegnet. Darauf legte
er sich zu Bett und lebte nur noch vier Wochen. Doch war er nie zu bewegen,
vor seinem Tode die Damen in der Glaskutsche zu nennen, obgleich er sie
recht wohl erkannt hatte.
Quelle: Friedrich Wagenfeld, Bremen's Volkssagen, Bremen 1845, Zweiter Band, Nr. 11