Aus des Grafen Adolf IV. Jugendzeit und von
Hamburgs Geschicken.
(1203-1225.)
Nach Adolfs III.
Verzicht herrschten die Dänen und ihre gewaltthätigen Amtleute
im Lande. König Waldemar hatte über ganz Nordalbingien den Grafen
Albrecht von Orlamünde als Statthalter gesetzt. Und die Holsteiner,
die zuvor wohl hätten treuer zu ihrem rechtmäßigen Herrn
halten können, wünschten sich jetzt sein Regiment zurück.
Die Edlen des Landes kamen insgeheim zusammen, und schickten Botschaft
nach der Schauenburg, der Graf möge nur wieder kommen, ganz Holstein
harre seines rettenden Armes mit Verlangen. Aber der edle Graf Adolf blieb
seinem Eide treu, und schlug ihre verlockende Ladung aus. Da, als die
allgemeine Noth immer höher stieg, sandten die Holsteiner die edle
Frau von Deest, Herrin auf Kellingdorf bei Wüster, mit demselben
Anliegen an Adolf. So beredt sie auch die Bitte vorbrachte, dennoch war's
vergeblich. Aber der Sohn des Grafen, wie sein Vater Adolf geheißen,
ein schöner Knabe von 12 bis 14 Jahren, der wurde aufs Tiefste ergriffen
von den Worten der edlen Frau, als sie das Unglück des Landes schilderte.
Und ein Heldenfunken entzündete in ihm das Verlangen: dem Lande seiner
Väter dereinst ein Retter zu werden. Die kluge Gesandtin fachte das
Feuer an, und so geschah es, daß der Vater einwilligte, den Sohn
mit ihr nach Holstein ziehen zu lassen, damit er dort an Ort und Stelle
seiner künftigen Thaten seiner hohen Bestimmung gemäß
erzogen werde. Also lebte der junge Graf fortan heimlich und verborgen
auf Kellingdorf bei der Frau von Deest, unter der Leitung der Edelsten
des Landes zu allen ritterlichen und fürstlichen Tugenden wie zur
Frömmigkeit und Gottesfurcht trefflich erzogen und herangebildet.
Die Dänen ließen sich's freilich nicht beifallen, daß
der rechtmäßige Erbe des von ihnen geraubten Landes so nahe
bei ihnen weilte. Aber die Holsteiner wußten es, und da sie in dem
herrlich aufblühenden Jünglinge den künftigen Retter und
Fürsten freudig erkannten und begrüßten, so getrösteten
sie sich dessen in traurigen Zeitläuften mit Hoffnung und Zuversicht.
Inzwischen waren
neue Kriegsunruhen über Stadt Land gekommen. Heinrichs des Löwen
Sohn, Otto IV., bekriegte den König Waldemar und nahm Hamburg, welches
dann wieder von diesem belagert wurde (1216). Waldemar, so heißt
es, baute eine Burg dicht vor der Stadt auf der Höhe des Eichholzes,
welche Höhe man seitdem den Feendsberg nannte, von wo aus er nicht
nur Wurfgeschosse hineinwarf, sondern auch alle Zufuhr land- wie elbwärts
abschnitt. Zu lezterem Zweck hatte Waldemar's Statthalter und Marschall,
der Graf von Orlamünde, hinter Schiffbeck auf der Uferhöhe der
Bille, ein Castell gebaut. Also eingeengt und halb ausgehungert, ohne
Aussicht auf Entsatz, ergab sich endlich die arme Stadt, in der dann die
Feinde nach Kriegsgebrauch übel haus'ten. Dann verkaufte Waldemar
die Stadt Hamburg mit allen kraft der Eroberung daran gewonnenen Hoheitsrechten
an den Grafen von Orlamünde (1216) für 700 Mark Silbers. Dieser
bezeigte sich gegen die Stadt als ein milder guter Regent, beförderte
ihre Wohlfahrt, so gut er konnte, wie er denn überhaupt oftmals der
Dänen Uebermuth im Lande zügelte, und eben so tapfer als bieder
war. Schade, daß er seine Lehnstreue dem Dänenkönige,
und nicht der Deutschen Sache beweisen mußte.
Der Friedensversuche
unerachtet, mehrten sich dennoch die Kriegsunruhen, zumal nachdem (1223)
der Graf Heinrich von Schwerin den König Waldemar auf einer Dänischen
Insel gefangen genommen und auf Schloß Dannenberg in Haft gebracht
hatte. Der Graf von Orlamünde, zum Dänischen Reichsverweser
erkoren, hatte schweren Stand, denn Alles rüstete sich in Holstein
und Mecklenburg, die Dänenherrschaft abzuwerfen, und des jungen Grafen
Adolf Anwesenheit begann ruchtbar zu werden. Da gedachte der Graf von
Orlamünde seine Rechte auf Hamburg bei Zeiten zu verwerthen, ehe
sie ihm wieder genommen würden, zugleich auch durch Wohlthaten die
Bürger zu gewinnen, daß sie in dem drohenden Kriege mindestens
nicht gegen die Dänische Partei auftreten möchten, Darum bestätigte
er ihnen alle vom Grafen Adolf III. verliehenen Rechte und Freiheiten;
ja, als die Hamburger den günstigen Augenblick weise benutzten, willigte
er gern in ihr Begehr, und verkaufte ihnen seine eigenen Hoheitsrechte
über ihre Stadt um 1500 Mark Silbers (etwa 35,000 Hamburgische Mark
nach einer Berechnung im sechszehnten Jahrhundert), so daß die Stadt
durch diesen Kaufvertrag ihrer Unterthänigkeit los und ledig wurde
(1224). Das war denn der erste, freilich noch auf schwachem Fundamente,
auf Loskauf von eroberten Rechten, stehende Anfang
der Unabhängigkeit der freien Stadt Hamburg.
Der Graf Orlamünde zog dann zu Felde, bei Mölln (1225) verlor
er eine Schlacht und kam als Gefangener zu seinem königlichen Herrn
nach Dannenberg; der junge Erbe Holsteins trat als Graf Adolf IV. aus
der Verborgenheit auf den Kriegsschauplatz, das ganze Land fiel huldigend
ihm zu.
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 20