Die Cäcilienabend-Fluth.
(1412.)

Ao. 1412 am Cäcilien-Abend ist zu Hamburg und in allen Landen der Unterelbe bis zur See ein so gewaltiger Sturm gewesen, wie niemalen erlebt. Und davon entstand eine unermeßliche Wasserfluth, aller Orten brachen die Deiche durch und die Wasser überschwemmten alle Marschen und rissen die Häuser weg und verheerten die Felder und thaten unsäglichen Schaden. Und was an Pferden, Ochsen, Kühen, Schweinen und anderm Vieh umgekommen ist, das ist nicht auszurechnen; sollen doch zusammen an 30,000 Menschen, alt und jung, reich und arm, elendiglich in den Fluthen ertrunken sein. Das war ein Strafgericht Gottes, wie der Art kaum je zuvor und nachmalen keins wieder, vielleicht den schwarzen Tod ausgenommen. Denn wenn auch Ao. 1470 in der heiligen drei Königs-Nacht bei abermaligem Sturmwetter aus Nordwest das Eibwasser so anschwoll, daß es fast eine Elle höher gestanden, als am Cäcilien-Abend, und auch großes Unglück angerichtet an Häusern, Menschen und Vieh, so ist's doch nicht so furchtbarlich gewesen, denn damals. Und der Cäcilien-Abend wurde ein Abschnitt in der Zeitgeschichte, darnach man rechnete und die Jahre zählte, etwa wie die älteren Leute im Volk gegenwärtig alles nach der Belagerung von 1814 bemessen.

Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 46