Das helle Haus und das heiße Haus.
(1284.)

Im Jahre 1284, am Tage des heil. Cyriacus, d. i. am 8. August, ereignete sich zu Hamburg eine ganz erschreckliche Feuersbrunst, welche fast die ganze Stadt, so groß sie damals war, einäscherte, wobei viele Menschen, Männer, Weiber und Kinder, elendiglich umkamen. Damals waren die meisten Wohnhäuser Holzbauten, die brannten lichterloh, aber auch die steinernen Gebäude konnten der Gluth nicht widerstehen, sie barsten und stürzten zusammen. In die Halle eines großen Hauses hatten sich einige 100 Personen geflüchtet, die allesammt umkamen. Man sagt auch, daß alle Kirchen mit dem St. Johannis-Kloster dabei abgebrannt seien. Ja, Einige sagen sogar, daß, die ganze Stadt bis auf ein einziges Haus in Schutt und Trümmer gesunken wäre; dieses habe auch schon in hellen lichten Flammen gestanden, nachdem aber die Nachbargebäude heruntergefallen, sei es durch ein Wunder Gottes dennoch vom Feuer nicht verzehret, sondern bestehen geblieben, und habe von der Zeit an das helle Haus gehießen, unter welchem Namen es noch manche Jahrhunderte lang bekannt gewesen. Vielleicht ist gemeint: das heele, d. h. das heil, ganz, unversehrt gebliebene Haus. Uebrigens gab's noch bis 1590 ein altes Haus am Fischmarkt, welches das Hell- oder Hehl-Haus hieß, in welchem manch gefundenes herrenloses Gut zu bergen pflegte, was man damals "Hehlen" nannte.

Als in genanntem Jahre der neue Krahn gebaut wurde, kam diese Hehl-Einrichtung in die daneben stehende Waage, in einen Raum, der "Archely-Kammer" hieß. Andere aber sagen, dies einzig stehengebliebene helle Haus habe in der Bohnenstraße gestanden und später einem Bürger Namens Kahle zugehört.

Wieder Andere wissen Nichts von dem hellen Hause, wohl aber von einem heißen Hause. Es sei dies ein stattliches Gebäude gewesen, welches in der großen Feuersbrunst einzig unversehrt geblieben. Aber so ungeheuer sei der Brand und die Gluth gewesen, daß noch nach Jahren, als längst die Stadt rings umher wieder aufgebauet, die Mauern, Steine und Ziegel dieses alten Hauses sich ganz heiß hätten anfühlen lassen, weshalb man dasselbe nie anders als das heiße Haus genannt habe.

Die Hamburger aber, wie sie's selbst bei den verderblichen Feuersbrünsten noch jetzt im Brauch haben, verloren keinen Augenblick den Kopf oder den Muth, und begannen alsbald den Neubau. Anfangs wollten die Vögte der Holsteinischen Grafen, vermuthlich aus freundnachbarlicher Gesinnung, den Hamburgern kein Holz zum Bauen verkaufen oder wegfuhren lassen, aber als ihre Herren, die Grafen Adolf, Johann und Albrecht, sich den Hamburgern freundwillig bezeigten und ihnen ihre Anerkennung der kostbaren Privilegien Kaiser Friedrich's I. glorreichen Angedenkens, verbrieften, auch ihnen Beistand gegen etwanige Uebergriffe des Bremischen Erzbischofs verhießen, - da mußten gedachte Vögte das Bauholz unsern Bürgern wohl verabfolgen lassen. Und vom Grafen Helwig von Schwerin und von ändern großen Waldherren kam Bauholz in Menge, so daß Hamburg dennoch bald wiederum, wie die Poeten sagen, "phönixartig aus der Asche" wieder erstand.

Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 30