Graf Adolf IV. begründet Hamburgs Freiheit.
(1225.)
Als nun der Graf
Adolf die Schiffbecker Veste eingenommen hatte, sandte er Botschaft nach
Hamburg, um Rath und Bürgerschaft aufzufordern, nunmehr ihm, ihrem
rechtmäßigen Fürsten, die Thore zu öffnen und die
Huldigung zu leisten. Da war guter Rath theuer in der Stadt; denn jetzt
mußte es sich entscheiden, ob ihr Kaufvertrag mit dem Grafen von
Orlamünde ihnen bleibend nützen werde, oder ob sie mit dem umsonst
gezahlten Kaufschilling auch zugleich das noch viel theurere Gut der kaum
genossenen Freiheit verlieren sollten. So willkommen den Bürgern
der Graf Adolf als Landesherr in Holstein war so ungern sahen sie wiederum
einen Fürsten und Regenten ihrer Stadt. Aber so völlig sonder
Arglist und Unrecht sie dazu gelangt waren, sich frei zu machen, und so
billig
ihr Wunsch war, sich frei zu erhalten, so fühlten sie doch wohl,
daß Graf Adolf, der angestammte trbe des Landes, folglich auch ihrer
Stadt, ein Recht auf ihre Unterwerfung hatte das ungleich besser war,
als das des ehrlichen Käufers eines geraubten Gutes.
Nach langen Berathungen wobei die Verzagteren zu unbedingter Unterwerfung
die Ueberrnuthigen aber zu trotziger Abwehr riethen, kam man endlich zu
dem Entschluß einen friedlichen Austrag der Sache zu versuchen,
mittlerweile aber für den Fall des Mißlingens alle Vertheidigungs-Anstalten
zuzurüsten.
Es gingen also kurz
vor Weihnacht Abgeordnete der Stadt ins gräfliche Lager vor der Schiffbecker
Veste; sie wurden von Adolf im Kreise seiner Räthe, Ritter und Krieger
unter freiem Himmel freundlich empfangen, und aufgefordert, ihre Meldung
anzubringen Die Abgeordneten redeten also, laut einer alten Ueberlieferung,
etwa folgende ebenso bescheidene als feste Worte: "Gnädiger
Graf und Herr! Wir sind gesandt, Euch willkommen zu heißen und Euch
Glück zu wünschen. Wenn wir daneben auch mit einer freimüthigen
Ansprache Euch kränken sollten, so thun wir es zwar ungern, aber
die Liebe zur Vaterstadt und das Geheiß unsrer Mitbürger zwingt
uns dazu. Das Unglück, das euren Vater betraf, und uns der Herrschaft
Dänemarks unterwarf, war uns schmerzlich; aber euer Vater hatte allen
seinen Ansprüchen auf unsre Stadt eidlich entsagt, und während
mehr denn 20 Jahren war von den Schauenburgern nichts zu unsrer Befreiung
geschehen. Mit Herzeleid ertrugen wir der Dänen Herrschaft, wie darnach
die Oberhoheit des Grafen Albrecht von Orlamünde, den wir als unsern
Herrn betrachten mußten, bis uns das Glück zu Theil ward, mit
großen Opfern von ihm die Lösung unsrer Unterthänigkeit
zu erkaufen und Freiheit zu erlangen. Arglist oder Verrat gegen Euch und
Euer Recht kann uns nicht vorgeworfen werden; man müßte denn
die Natur der Geschöpfe Gottes anklagen, die schon den Vogel treibt,
dem Käfig zu entfliehen, wenn er es vermag."
"Noch Vieles
könnten wir anführen, was uns vor den Schranken des Gerichts
rechtfertigend zur Seite stünde, was hier aber im Lager des Krieges
verhallen würde. Darum wenden wir uns vertrauensvoll an Eure Großmuth
und Milde, denn wir wissen, unser Glück liegt Euch am Herzen. Erwägt
unsere frühere wie jetzige Lage, setzet Euch an unsere Stelle, und
prüfet darnach unsere Bitte: entsagt Eurem strengen Rechte zu Gunsten
unsrer von Euren ruhmwürdigen Vorfahren geliebten Stadt, bestätigt
uns in unsern wohlerworbenen Rechten und Freiheiten, so werden wir Euch
freudig unsre Thore öffnen, Euch als unsern Schirmherrn annehmen,
lieben und ehren; solltet Ihr aber wider Verhoffen ein Mehreres verlangen,
so müssen wir offen erklären, daß wir insgesammt entschlossen
sind, keine Schmälerung unsrer Rechte zu leiden, sondern für
das theure Gut unsrer Freiheit lieber zu sterben."
Und als die Hamburgischen
Gesandten diese Worte geredet, ließ der Graf sie in ein Gezelt fuhren
und gut bewirthen, während er ging, seinen Entschluß zu fassen.
Und seine Holsteinischen Räthe und Ritter, die Hamburg ungern aus
dem Verbände ihres Landes scheiden sahen, wollten dem Grafen zureden,
daß er das Begehr abschlüge und sich mit den Waffen ersiege,
was seines Rechtes sei. Aber Graf Adolfs Herz war getroffen von den Worten
der Hamburger, und auch sein Geist erwog, wie seines Vaters Liebe für
die Stadt ihr schon den Weg der Unabhängigkeit, den sie inzwischen
gegangen, vorgezeichnet habe, zu wachsender Bedeutsamkeit und Größe.
Und also zurückblickend in die Vergangenheit und vorwärtsschauend
in die ferne Zukunft, und die Bestimmung der Stadt nach dem Willen Gottes
erkennend, wurde es dem großherzigen edlen Jüngling leicht,
den eignen Vortheil, seine Rechte über Hamburg aufzuopfern. Und er
berief die Gesandten wieder vor sich und gewährte ihnen in freundlichen
Worten ihr Ansuchen, und sicherte der Stadt ihre Freiheit feierlich zu.
Und als er bald darauf
in die Stadt zog, da ist er von Rath und Bürgerschaft mit Freude
und Jubel empfangen und willkommen geheißen, und nachdem sie vereint
die Dänen-Veste am Eichholz erobert und zerstört, hat der Graf
der Stadt eine Urkunde ausgefertigt, darin er ihr Kaiser Friedrich's Privilegium
und alle sonst erworbenen Rechte und Freiheiten, auch die Zollfreiheit
durch ganz Holstein, zugesichert hat. Und dies ist der
rechte wahre Grundstein der Hamburgischen Freiheit
geworden.
Darnach haben die
Hamburger den Grafen als ihren Schirmherrn und Bundesfreund angenommen
und anerkannt, und haben darauf den Deutschen Handschlag mit ihm gewechselt
und unter Anrufung des Segens Gottes einen feierlichen Weintrunk mit ihm
gehalten. Dann ist der edle Graf weiter gezogen in sein wieder gewonnenes
Land.
Und nachdem i. J.
1814 Hamburg von Französischer Gewaltherrschaft wieder erlös't
und im Genüsse der alten errungenen Freiheit der unschätzbare
Werth dieses höchsten Erdengutes in allen Bürgern so recht lebendig
geworden war, da gedachte man auch dankbar des trefflichen Fürsten,
der vor 600 Jahren so großherzig den Grund zu solchem Glücke
gelegt hatte. Und in Folge eines gemeinsamen Beschlusses des Rathes und
der Oberalten (vom 9.Oktober 1820) wurde im Namen der "dankbaren
Republik" dem Grafen Adolf IV. ein Denkmal gesetzt auf dem Platze
vor dem von ihm gebauten Marien-Magdalenen-Kloster, welcher fortan den
Namen "Adolfs-Platz" bekam. Und als der neuen Börse das
alte Kloster weichen mußte, da wurde das Denkmal vor dem neuen Gebäude
des letzteren am Glockengießer-Wall wieder aufgerichtet, wo es unter
Blumen und Büschen, hoffentlich noch recht lange mahnend und erinnernd
stehen wird, denn, wie die Inschrift der dritten Erztafel im Grundsteine
des Denkmals sagt: "Wer über seine Zeit hinaus, kommenden Geschlechtern
liebend vorsorgt, den vergessen auch diese nicht, wenn gleich Jahrhunderte
vergangen."
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 22