Die Hand des Himmels
In Blankenese war
ein junger Fischer; dem ging's unglücklich, und es wollte ihm mit
dem Fange gar nicht gelingen. Er geriet in Mangel und Elend, und Frau
und Kinder mußten Hunger leiden.
Einmal war's ein
heißer Sommertag gewesen. Als aber gegen Abend ein Gewitter im Westen
mit der Flut aufstieg, entschloß sich der Fischer, noch eine Fahrt
zu wagen, weil er gehört hatte, daß in solchen Augenblicken
die Fische am besten ins Garn gingen. Er stieg ins Boot und fuhr auf die
Elbe hinaus, obgleich alle ihn warnten und das Wasser schon dunkel und
unruhig ward. Kaum aber hatte er seine Netze ausgeworfen, so konnte er
sie auch schon wieder auf ziehen, und in einem Augenblick war seine Jolle
voll.
Da wollte er noch
einen Zug versuchen und die Netze noch einmal auswerfen, als ein fürchterlicher
Donnerschlag über ihm losbrach und ihn erschreckte. Wie er wieder
zu sich kam, sah er mitten auf den Fischen eine weiße Totenhand
liegen. Da setzte er rasch die Segel auf und wie ein Pfeil schoß
seine Jolle dem Strande zu. Es war ein Glück für ihn, daß
er sich hatte warnen lassen und Gott nicht länger versucht hatte.
Die Totenhand hängte
er nachher als Wahrzeichen in der Nienstedtener Kirche auf, und sie ist
lange noch da zu sehen gewesen, da sie ganz unverwest blieb. Man nannte
sie die Hand des Himmels Als sie endlich herunterfiel, verbrannte man
sie zu Asche und bereitete eine Oblate daraus, die bis auf den heutigen
Tag gezeigt wird.
Der Fischer ward
seit jenem Tage ein reicher und begüterter Mann weil, wie man sagte,
die Hand des Himmels über ihm war.
Quelle: Karl Müllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Neu bearbeitet von Otto Mensing. Schleswig 1921. Nr. 247