Das Rolandsbild in Hamburg
(1368?)
In vielen alten Städten,
die von Kaisern gebauet und kaiserlich geblieben waren, wurde durch einen
kaiserlichen Vogt Gericht und Recht geübt im Namen des Kaisers. Und
als Symbol solcher Gerichtsbarkeit, oder auch als Kennzeichen des einem
Orte vom Kaiser verliehenen Stadt- oder Weichbilds-Rechtes, diente ein
auf offenem Markte stehendes Kaiserbild von Holz oder Stein, wie es noch
jetzt in vielen alten Niederdeutschen Städten zu sehen ist, z. B.
in Bremen. Nach dem ersten Kaiser nannte man es vielleicht "Karolus-Bild",
woraus im Munde des Volks nach und nach Rolands-Bild wurde. Vielleicht
auch hielt man den alten Helden Roland für Karls ersten Statthalter
und für das Muster aller kaiserlichen Vögte.
Vielleicht hatte
Hamburg schon in früheren Zeiten solch eine Säule; mindestens
gab es hier kaiserliche Vögte (Advocaten genannt), die Recht sprachen
und übten. Jedenfalls aber wurde, nachdem Hamburg ein erweitertes
Weichbildsrecht erhalten hatte, zu dessen Kennzeichen Ao. 1264 ein solches
Rolands-Bild aufgerichtet, und zwar auf dem Platze, wo das Eimbeck'sche
Haus am Dornbusch stand, in der Nähe einer kleinen Brücke, die
darnach den Namen Rolandsbrücke empfangen hat. Dies war die Stätte,
an der nach Altdeutscher Weise unter freiem Himmel der Vogt das Gericht
hegte.
Aber nur einige und
100 Jahre haben die Hamburger den Roland gehabt, dann verschwand er, und
das ging also zu.
Kaiser Karl IV. der
Lützelburger war 1368 in Tangermünde (nach Andern 1375 in Lübeck);
die Grafen von Holstein zogen zu ihm, um durch seinen Machtspruch die
landesherrlichen Rechte über Hamburg zurück zu erlangen, auf
welche ihr Vorfahrt, Adolf IV., verzichtet hatte. Sie glaubten solchen
Verzicht anders verstehen zu müssen, als die Hamburger ihn verstanden,
denen sie übrigens sonst gar nicht übel wollten. Da die Hamburger
sich neben Adolfs Verzicht auch darauf stützten, daß ihre Stadt
eine kaiserliche sei, so glaubten die Grafen, daß der Kaiser nur
auf seine Rechte über Hamburg zu verzichten brauche, das Andre werde
sich finden. Den Kaiser setzte dieser Handel in Verlegenheit. Er war den
Hamburgern gewogen, hatte ihnen erst 1365 ihre Privilegia bestätigt,
auch das große Recht ertheilt, alle Seeräuber zu verfolgen,
zu richten und den Blutbann auf der Elbe zu üben. Er konnte sie darum
nicht den Holsteinischen Grafen unterthänig machen. Diesen aber war
er auch Freund und hätte ihnen gern etwas Gutes gegönnt. Darum
half er sich mit einem doppelsinnigen Befehl, der weder recht Deutsch
noch kaiserlich war; darnach sollten sich die Hamburger zu den Grafen
als zu ihren Herren halten, jedoch ihrer Rechte und Pflichten zu Kaiser
und Reich unbeschadet. Das war ein Gebot, das aus zweiten mit einander
unverträglichen Dingen bestand. So sahen es auch die Grafen an, schlugen
sich die Sache aus dem Sinn und bestätigten lieber den Hamburgern
die alten Verträge und Freiheiten, wogegen diese sich auch erkenntlich
bewiesen.
Roland-Statue in
Wedel, Schleswig-Holstein
© Wolfgang
Morscher, 1. Jänner 2005
Wir danken an dieser Stelle Alfred Mrugalska für die lebensnahe
Stadtführung durch Hamburg und Umgebung!
Aber dem Kaiser verübelten die Hamburger seine doppelsinnige Antwort, da sie erwartet hatten, er werde unumwunden für ihr Recht auftreten. Sie meinten nun, da die Sache mit den Grafen ohne des Kaisers Hülfe so leidlich abgelaufen war, daß sie hinfort keines kaiserlichen und Rechtsschutzes mehr bedürften, und deshalb kamen sie zu Häuf und stürzten das Rolandsbild um und warfen es von der Brücke ins Wasser. Wann dies geschehen ist, bleibt ungewiß. Einige Autoren schreiben 1368, was aber unrichtig, denn noch 1375 und 1385 ließ unser Rath durch Meister Bertram den Maler das Rolandsbild farbig überstreichen, was unsere Kämmereirechnungen beweisen. - Jedenfalls ist es bald nach 1385 umgestürzt. Und zum Andenken daran, daß es einst auf der Brücke gestanden, war noch um 1650 an einem Eckhause der großen Reichenstraße in einer Mauernische ein kleines hölzernes Rolandsbild angebracht. Jetzt ist das dortige Fleth zugeschüttet und von der Brücke nur der Name "Rolandsbrücke" gerettet.
Doch kann es immerhin
sein, daß tief unter dem Schlamm des jetzt zugeschütteten Canals
das alte Rolandsbild noch jetzt liegt, und früher von den Flethenkiekern
wohl aufzufinden gewesen wäre, wenn sie nur mehr Sinn gehabt hätten
für solche Alterthümer.
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 41