Simon von Utrecht
(1400-1437.)
Von den Heldenthaten
des tapfern Schiffshauptmanns Simon von Utrecht gegen die Piraten der
Nordsee haben wir eben vernommen. Die Stadt Hamburg hat sich ihm aber
auch dankbar bewiesen und ihn bei seinen Lebzeiten wie nach seinem Tode
immerdar in hohen Ehren gehalten. Vermuthlich stammte er aus den Niederlanden
und war schon vor 1400, in welchem Jahre er das Bürgerrecht gewann,
hier eingewandert. Ob er mit seinem Schiffs-Eigenthum auch Kaufmannschaft
verbunden habe, ist nicht gewiß zu sagen; er wohnte, wenigstens
in den späteren Jahren, im Rödingsmarkte. Nachdem er sich nun
auch durch Werke des Friedens verdient gemacht hatte, ist er 1425 in den
Rath gewählt. Und in dieser obrigkeitlichen Eigenschaft sehen wir
ihn nicht nur auf Hansatagen thätig, sondern alsbald auch wieder
auf dem Kriegsschauplatze. Er machte den Hansischen Seezug gegen die Dänischen
Inseln und Flensburg (1428) mit; und 1432-1433 befehligte er die Hansische
Flotte, welche gegen die räuberischen Strandfriesen geschickt wurde.
Er schlug dieselben zur See, zwischen der Weser und Ems, und darnach auch
zu Lande, indem er ihr Raubnest, die Sebaldusburg, zerstörte und
nach den glücklichen Siegen bei Norden und Lütetsburg die Hauptstadt
Emden einnahm, woselbst fortan ein Hamburgischer Rathsherr als Statthalter
regierte.
Als Herr Simon von
Utrecht hierauf nach Hamburg zurückgekehrt war, da wurden ihm von
seinen Mitbürgern die höchsten Ehren erwiesen, die es in einer
freien Stadt giebt; er wurde nämlich 1433 zum Bürgermeister
erwählt, und zwar zu einem außerordentlichen oder Ehren-Bürgermeister,
denn die verfassungsmäßigen Plätze waren insgesammt besetzt;
und die hierin liegende noch höhere Auszeichnung ist nach ihm Niemandem
wieder zu Theil geworden.
Im Jahre 1437, als
er das Ende seines thatenreichen Lebens nahen fühlte, machte er ein
Testament, worin er, abgesehen von einigen Messen und Armenspenden, eine
gewisse jährliche Summe zu den Unterhaltungskosten der Hamburger
Kriegsschiffe verordnete, womit also der alte Seeheld noch sterbend seinen
Patriotismus in einer seinem größten Wirkungkreise entsprechenden
Art bewährt hat. Im Receß von 1570 wird dieser Stiftung von
den Bürgern gedacht.
Am 14. October 1437
ist er gestorben und in der Nicolaikirche bestattet. Daneben wurde sodann
ein Denkstein zu seiner Ehre eingemauert, welcher aus dem Brande von 1842
glücklich gerettet ist. Er zeigt oben das Wappen Simon von Utrecht's:
ein großes dreimasti-ges Seeschiff mit einer Thierfigur am Spiegel,
ohne Zweifel die berühmte "bunte Kuh"; ein Schwan zieht
das Schiff durch die Wellen; oben auf dem Helm des Wappenschildes ist
ein Schwan mit ausgebreiteten Flügeln. Darunter folgt eine kurze
Inschrift in lateinischen Versen, welche auf seine Besiegung der Piraten
hinweis't und die Nachwelt ermahnt: den
großen Thaten der Vorfahren nachzueifern, damit der Ruhm der Stadt
nicht sinke.
Im Jahre 1566 gedachte
die St. Nicolai-Kirchenbehörde das Grab, darin Herr Simon's Gebeine
ruhten, zu verkaufen, da schon über Menschen Gedenken dasselbe nicht
geöffnet und kein Erbrecht daran geltend gemacht war. Ob noch Nachkommen
von ihm lebten, wußte man nicht - vielleicht wußten die etwas
später als Dom-Vicare vorkommenden Johann und Georg von Utrecht nichts
über ihre etwanige Abstammung von Herrn Simon - genug, das Grab wurde
an Hinrich Rheder verkauft. Kaum aber erfuhr der Senat diesen Handel,
als er seine Aufhebung anordnete, "dewile Herr Simon von Utrecht
dar in begraven is, de so veelfaltige Deenste düsser guden Stadt
ertöget hett". Im Jahre 1661 aber, nachdem in wieder vertriebenen
100 Jahren kein Mensch Ansprüche an das Grab gemacht, da ist das
Grab an Herrn Jürgen Kellinghusen, derzeit Jurat der Kirche, für
150 Mark unter der Bedingung verkauft, sogleich davon abzustehen, wenn
irgend Jemand Einsprache erheben würde.
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 45