Vom Spökelberg.
(1225.)
Eine kleine Meile
von Hamburg, an der Straße zwischen Schiffbeck und Steinbeck, da,
wo sich das hohe Geestufer nach dem Bach bei Nieder-Schlems senkt, ist
noch heutigen Tages ein kleiner buschiger Hügel zu sehen, auf dem
jetzt ein stattliches Haus steht, mitten in Gartenanlagen. Das ist der
sogenannte Spökelberg. Noch um 1830 hatte er eine andere Gestalt,
daran man leichthin seine Bestimmung in alten Zeiten erkennen konnte.
Auf diesem Hügel
hat nämlich die Veste gestanden, die Graf Albrecht von Orlamünde,
des Dänenkönigs Waldemar Statthalter und Marschall in Holstein,
um 1216 gebaut hatte, um Hamburg zu bezwingen, wie oben erzählt ist.
Als nun König Waldemar und der Graf von Orlamünde gefangen waren,
die Holsteiner sich unter ihrem rechtmäßigen Herrn, dem jungen
Grafen Adolf IV., erhoben, und schon den größten Theil des
Landes von der Dänenherrschaft befreit hatten, da wollte Adolf auch
diese Gegend und die beste Stadt seines Erbes, Hamburg, wieder gewinnen.
Hamburg (wie oben erzählt ist) hatte sich nun zwar eigentlich schon
durch Vertrag mit dem Grafen von Orlamünde von der Dänen Herrschaft
befreit und war einigermaaßen selbstständig geworden, aber
in den Vesten von Eichholz und bei Schiffbeck lagen noch dänische
Besatzungen, die mußten besiegt werden.
Zuerst kam die Reihe
an Schiffbeck. Graf Adolf und seine Holsten belagerten und bestürmten
es, die Dänen wehrten sich kräftig, aber endlich ergaben sie
sich auf Gnade und Ungnade, nachdem sie in blutigen Gefechten die Kühnheit
des Grafen und die Tapferkeit seiner Holsten erfahren hatten.
Und einige Zeit darnach, als Adolf sich an dieser Stelle mit den Hamburgern
friedlich geeinigt, und mit ihrer Hülfe auch die Dänenburg am
Eichholz erobert und zerstört hatte, ließ er auch die Schiffbecks-Veste
schleifen und abtragen, weil die Hamburger das Privilegium hatten, daß
auf zwei Meilen rund um die Stadt keine feste Burg durfte bestehen.
Und der Hügel,
darauf die Veste gestanden, blieb mit einigen Steinhaufen noch lange Jahre
so wüst liegen. Und um 1720 bezeugte es der Pastor Nic. Alardus in
Steinbeck, daß ein gut Stück der alten Veste annoch erkennbar
sei. Nach und nach trugen die benachbarten Leute die Steine fort, wenn
sie deren etwa benöthigt waren. Und die Sage ging, daß der
Graf von Orlamünde große Schätze, darunter eine goldene
Wiege und die 1500 Mark Silbers, welche die Hamburger ihm für die
Freiheit ihrer Stadt gegeben hätten, im Innern des Berges vergraben
habe, die noch nicht gehoben seien; es hieß auch früher, daß
es dort arg spukte oder spökelte,
wie man's auch nennt, nämlich, daß nächtlicher Weile allerlei
gespenstische Gestalten auf dem Berge säßen, etwa die Hüter
des Schatzes oder die Geister der hier bei der Erstürmung der Burg
erschlagenen räuberischen Dänen, die das umliegende Land gedrangsalt
hatten und nun keine Ruhe im ungeweihten Grabe haben möchten. Vielleicht
waren es auch nur Schatzgräber, die mit Wünschelruthe und anderem
Zaubergeräth ihr Glück versuchen wollten, und sich gern, wie
solche nächtige Gesellen lieben, mit spukhaftem, gespenstischem Wesen
umhüllten. Offen am lichten Tage betrieb jedoch der Chemicus Dr.
Brand (1688), der Erfinder des Phosphors, seine Nachgrabungen, jedoch
ohne Schätze zu finden. Genug, der wüste Berg bekam daher den
Namen "Spökelberg", den er noch jetzt trägt. - Der
uralte Kaufschilling für Hamburgs Befreiung von der Fremdherrschaft
mag noch darin vergraben liegen.
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 21