Die Köpfe an St. Jacobi-Küsterei.
(1390.)
Ao. 1390 hat sich
allhier eine abscheuliche Mordgeschichte zugetragen. Einer der Stadtdiener,
man will sagen, es sei der Stadtvogt selber gewesen, hatte eine Frau,
die war schön, aber böse und ungetreu, und als ihr Wandel ihm
bei einer Gelegenheit offenbar wurde, strafte er sie in Gegenwart aller,
die zufällig dabei, wie er's durfte nach göttlichen und menschlichen
Rechten; das empfand die Frau übel, doch verbiß sie ihren Grimm
und dachte nur, sie wollt's ihm schon eintränken. Darnach, als sie
daheim waren, sorgte sie, daß ihr Mann auf den Verdruß mehr
Wein trank, als ihm gut war, schenkte ihm brav ein, bis er trunken wurde
und auf dem Sessel einschlief, wobei ihm das schwere Haupt seitwärts
niederrang. Es war aber gegen Mitternacht.
Merke, man muß
sich nie betrinken, absonderlich nicht auf Aergerniß und Verdruß,
und keinenfalls auf Zureden eines Weibes, das man zuvor tödtlich
beleidigt hat.
Als nun das Weib
ihren Mann schlafen sieht, zieht sie ihm sein eigen Schwert aus der Scheide
und haut ihm den Kopf ab. Läuft darauf zu dem Küster zu St.
Jacobi, der ihr guter Freund war, erzählt ihm Alles und fordert von
ihm Hülfe, den todten Körper auf die Seite zu bringen. Der dumme
Narr, obschon ihm die Haut schaudert bei Vernehmung der Mordthat, ließ
sich wirklich durch des schlechten Weibes glatt Gesicht und liebliche
Worte bethören, daß er mit ihr ging, den Leichnam heraustrug
und auf St. Jacobi-Kirchhof an der Mauer verscharrte. Als beide aber wieder
in des Entleibten Hause die Blutspuren vertilgt hatten und ausruhen wollten
von der teuflischen Arbeit, kam ihnen Furcht an, das frische Grab möchte
ändern Tags entdeckt werden und sie verrathen. Graben es also wieder
auf, nehmen den Körper heraus, tragen ihn in des Küsters Haus,
um ihn auf dem Feuerheerde zu verbrennen. Aber das Feuer wollte nicht
hell flammen und den Körper nicht verzehren, verursachte aber so
viel Rauch, ein so erschrecklich Prasseln im Schornstein und so pestilenzialischen
Gestank, daß die Nachbarn erwachen, eine Feuersbrunst vermuthen
und vor der Hausthüre zusammenkommen, um zu löschen; als der
Küster nicht aufmachen will, schlagen sie die Thüre ein, und
finden denn die ganze Bescheerung, den halb verbrannten geköpften
Leichnam des armen Stadtdieners, daneben die tiefbetrübte Witwe und
den frommen Küster, welcher ihr Trost einzusprechen vorgiebt. Er
konnte aber nicht lange leugnen und das boshafte Weib auch nicht, und
beide ließen es nicht erst auf die scharfe Frage des Büttels
ankommen, sondern bekannten Alles. Also kamen sie vor's Halsgericht, allwo
der Stab über ihnen gebrochen ward, und empfingen ihren verdienten
Lohn, indem das Weib lebendig verbrannt wurde, wobei das Feuer lichterloh
flammte und die giftige Schlange bald zu Asche verzehrte; der Küster
aber wurde, da er die Mordthat selbst nicht begangen, nur erdrosselt und
dann aufs Rad geflochten.
Zum ewigen Andenken
an dieses abscheuliche Verbrechen und zur Warnung und Abschreckung Aller,
die auf bösen Wegen wandeln und da vorbeigehen, hat man über
der Hausthür der Küsterei zu St. Jacobi zwei steinerne Menschenköpfe,
einen Manns- und einen Weibskopf, eingemauert, welche noch um 1750 daselbst
zu sehen gewesen sein sollen.
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 43