Vom Bau des St. Johannis-Klosters.
(1220-1235.)
Um das Jahr 1220
lebte in Hamburg ein guter Bürger, mit Namen Hans Reder, der besaß
ein Haus nebst großem Garten, in dem höheren Theile der Stadt,
unweit des Alster-Flusses und der Stadt-Mühlen an demselben. Der
hat zu seiner nicht geringen Verwunderung wahrgenommen, daß vom
Himmel eine ganz seltsame Erde auf seinen Gartenplatz gefallen ist; die
war durchgängig tief dunkelschwarz und von schneeweißen Streifen
durchzogen, hie und da aber erglänzten dazwischen güldene Punkte
und Striche, fast wie Buchstaben und Zeichen einer fremden heiligen Sprache.
Und Hans Reder hat mehr denn einmal dies Wunder gesehen, und hat es nicht
auszulegen verstanden; obschon er sich wohl bewußt gewesen, daß
etwas Absonderliches damit angedeutet sei.
Und als sieben Jahre
darnach der Graf Adolf IV., in Folge seiner Gelübde bei Bornhövede,
den Bau zweier Klöster in Hamburg beginnen und deshalb für jedes
einen schicklichen Platz aussuchen wollte, da trieb es den edlen Herrn
unwillkürlich nach Reder's Garten, und da er ihn in Augenschein genommen,
bestimmte er ihn allsogleich zum Platz des einen der Klöster; und
Hans Reder, der eigentlich gar nicht gemeint war, sein Grundstück
zu veräußern, fühlte sich getrieben (er wußte selbst
nicht warum), alsogleich in des Grafen Kaufhandel zu willigen.
Also ist auf dieser
Stelle des St. Johannis-Kloster erbauet worden, und da es fertig war mit
Kirche, Kreuzgängen, Reventer und Zellen, stand es einige Jahre leer,
denn es waren keine Mönche da, die es bewohnen konnten; .das Dom-Capitel
bezeigte sich auch der Anherokunst von Ordens-Geistlichen wenig förderlich.
Der Graf Adolf gab sich wohl Mühe, fromme Patres für sein Kloster
zu gewinnen, konnte aber keine auftreiben.
Da ereignete es sich
im Jahre 1235, daß drei fremde Prediger-Mönche vom Orden der
Dominicaner nach Hamburg kamen, nämlich Bernhard Hiddinga, ein Friese,
Otto von Meding, aus dem Bremischen, und der Pater Jordanus. Die zogen
noch etliche ihrer Brüder nach sich, und hielten darum an, das leere
Kloster bewohnen zu dürfen.
Ob nun gleich weder
der Graf noch der Rath etwas dawider hatte, so sähe das Dom-Capitel
die Sache doch ungern, weil es fürchtete, dadurch in seinen Einkünften
geschmälert zu werden, während es der geistlichen Nothdurft
der Stadt zur Genüge vorstehen zu können vermeinte. Pater Bernhard
aber entgegnete, daß die Brüder gekommen seien, der Menschen
Seelenheil zu fördern, nicht aber irdischen Gewinn zu suchen; und
so gelang es ihm, auch des Capitels Einwilligung zu erhalten. Darauf wurde
das Kloster geweihet und von den Mönchen bezogen, welche dann auch
ihr Verheißen wahr machten und durch Lehre und Beispiel des Volkes
geistliche Wohlfahrt förderten.
Und als zum ersten
Male die Dominicaner in ihrer schwarzen Ordenstracht mit weißem
kreuzförmigen Streifen darüber, in der Klosterkirche sangen,
beteten und das goldene Wort des Evangelii predigten, da sind dem guten
Hans Reder die Schuppen von den Augen gefallen, und er hat erkannt, was
die auf seinen vormaligen Garten vom Himmel herabgeregnete schwarze Erde
mit weißen Streifen und goldenen Zeichen weissagend zu bedeuten
gehabt habe!
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 24