Till Eulenspiegel in Hamburg.
(Vor 1350.)
Nachdem das "fromme
Kind" des Dorfes Knettlingen, der weltbekannte Schalksnarr Till Eulenspiegel,
den Ehrbaren Rath zu Lübeck so listig angeführt hatte, daß
er ihn vom Galgen laufen lassen mußte, kam er nach Hamburg, der
guten Stadt, wo er bis dato noch Niemand genarret. Trat auf den Pferde-Markt,
wo die Holzbauern standen und schaute sich um. Da kam ein Meister Barbier
zu ihm und fragte, was er für ein Handwerksgesell wäre? Eulenspiegel
antwortete: Grad' herausgesagt, ein Barbier. Da dingte ihn der Meister
und sprach: An diesem Markte wohne ich, dort in dem Hause, wo die großen
Fenster sind, da geh' nur hinein, ich will bald nachkommen. Eulenspiegel
sagt Ja, und geht zu dem Hause gradaus mitten durch das Fenster hinein
in die Stube und sagt: Grüß Gott und das Handwerk. Des Bartscherers
Frau saß in der Stube und spann, die erschrak sich übel und
sprach: Was führt dich der Teufel da herein? Kannst du nicht zur
Thüre hereinkommen? Eulenspiegel sprach: Liebe Frau, zürnet
nicht, Euer Ehewirth, der mich als Gesellen gedinget, hat mich das geheißen.
Sie aber schalt: Das ist mir ein saubrer Geselle, der seinem Meister Schaden
zufugt. Er antwortete: Soll der Gesell nicht thun, was ihn der Meister
heißt? Indem kam der Meister und sprach: Wie Gesell, konntest du
nicht zur Thüre eingehen und mir die Fenster ganz lassen? Lieber
Meister, sprach Eulenspiegel, Ihr hießet mich da hineingehen, wo
die großen Fenster seien, darnach that ich gehorsam Eurem Gebot.
- Der Meister schwieg still, denn er bedurfte eines Gesellen, dachte auch
wohl, durch ihn die Kunden besser zu bedienen und am Lohn ihm den Schaden
abzuziehen; befahl ihm darauf die Scheermesser zu schleifen, und sprach:
schleif sie glatt aus dem Rücken gleich der Schneide. Da schliff
Eulenspiegel den Messern den Rücken so scharf wie die Schneide, so
daß sie an beiden Seiten haarscharf wurden. Als nun der Meister
sah, wie Eulenspiegel ihm alle Messer verdorben, sprach er zornig: das
wird nicht gut. Eulenspiegel aber meinte: wie sollt's nicht gut
werden, ihnen thut's nicht weh, und ich mach' es, wie Ihr mich geheißen
habt. Da ward der Meister noch zorniger und sprach: du bist ein arger
Schalk, geh' stracks wieder hin, wo du hergekommen bist. Eulenspiegel
sprach: Ja, wir können doch nicht ewig beisammen bleiben, sprang
also hurtig zum Fenster wieder hinaus, wo er hereingekommen war, daß
die Scheiben klirrten. Da ward der Bartscherer fast wüthend, und
lief ihm nach mit dem Büttel, der ihn greifen sollte, daß er
die zerbrochenen Fenster und die verdorbenen Messer bezahlen möchte.
Eulenspiegel aber dachte: für diesmal ist's genug mit Hamburg; lief
behend und hurtiger als Meister und Büttel, kam an den Hafen, sprang
in ein Schiff, das grade abfuhr, und entkam also glücklich.
Hernach ist Till
Eulenspiegel niemals wieder in Hamburg gewesen. Ob er den Barbierer und
dessen Schadensklage so gefurchtet, oder ob er gemeint, in Hamburg seien
die Leute doch zu klug für seine Ränke und Schwanke, und verstünden
keinen Spaß, auch die Büttel zu unhöflich, der Gerichtsherr
zu dreist und die Ehrbaren Wohlweisen minder bedachtsam, denn die Lübecker
Herren, - genug er ist wohl später oftmals "am letzten Heller"
gewesen, aber endlich nach Mölln gegangen, wo er bekanntlich (1350)
unter unsäglichen Schalksstreichen gestorben ist und begraben liegt.
Und die Möllner, die er doch lebend garstig gedrangsalt hat, ehrten
ihn im Tode, als einen großen Mann, und waren so stolz auf ihn,
daß sie dem Cardinal Raymundus, welcher um 1503 als päpstlicher
Legat durchs Land zog und nach Mölln kam, fleißig anlagen,
daß "de olle Herr" canonisirt würde und als Heiliger
in den Kalender käme. Dem Cardinal haben aber wohl Eulenspiegel's
Ansprüche auf den Heiligenschein etwas bedenklich geschienen, genug,
er hat "nicht gemöcht".
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 39