57. Der Anker in der Kirche zu Angermünde.

In Meesiger, im Kreise Demmin, erzählen die Leute, daß einst vor vielen hundert Jahren über der Stadt, welche jetzt Angermünde heißt, ein schweres Gewitter tagelang stand und nicht weichen wollte. Endlich kam die Sache den Leuten doch zu sonderbar vor, und der Rat schickte den Türmer auf den Kirchturm hinauf, damit er nachsehe, ob das Gewitter vielleicht an der Kirchturmspitze sich festgehakt hätte und darum nicht weiter ziehen könne.

Wer beschreibt nun des Mannes Erstaunen, als er im Schallloch einen Anker sitzen sah, von dem aus eine schwere, eiserne Kette in die Wolken zu einem Schiffe hinaufging. Allerdings hat man dies Schiff nicht sehen können, aber was sollte es anders gewesen sein. Schnell wurde nun die Kette mit einem scharfen Beile gekappt, und von Stund an verzog sich das Gewitter in eine andere Gegend.

Der Anker ist zum ewigen Gedächtnis in der Kirche aufgehängt worden, und nach ihm hat die Stadt ihren jetzigen Namen Angermünde erhalten.


Mündlich aus Meesiger, Kreis Demmin.

Volkssagen aus Pommern und Rügen, Ulrich Jahn, Berlin 1889, Nr. 57