DER WOD WIRFT EIN FRAUENBEIN ZU
In Kicker, Kreis Naugard, glaubt man, die wilde Jagd fahre in einer schwarzen Kutsche. Der Kutscher soll einen ganz weißen Kopf haben, wie eine weiße Taube. Vor dem Wagen befinden sich zwei Rappen, und davor laufen wieder zwei schwarze Hunde, denen fortwährend Feuer aus dem Maule schlägt. Der wilde Jäger selbst heißt der Wôd. Andere nennen ihn auch dei Dråk und erzählen, daß er zumeist im Spätherbst beim Flassbråke durch die Lüfte ziehe.
Einst waren Zimmerleute im Walde auf Arbeit, und unter ihnen befand sich ein arger Spötter. Als nun der Wod daher kam, um auf seine Opfer, die ungetauften Kinder, Jagd zu machen, so stimmte der Spötter mit in den Jagdruf ein und johlte, wie die Jäger zu thun pflegen. Es dauerte aber gar nicht lange, da wurde ihm der Lohn für seine Frechheit zu teil. Denn plötzlich ward ihm vom Wod ein Frauenbein, dem ein roter Strumpf angezogen war, aus der Luft zugeworfen und eine Stimme rief:
»Hast mit jacht,
Kâst uk mit frête.«
Der Zimmergesell wollte sich des Beines entledigen, aber trotz aller seiner Bemühungen und obgleich ihn seine Kameraden thätig unterstützten, gelang es nicht, dasselbe von der Seite des Mannes zu entfernen. Man vergrub es, aber kaum war es mit Erde bedeckt, so war es auch gleich wieder bei dem Spötter. Endlich legte man das Bein in einen Sarg und beerdigte es wie eine richtige Christenleiche auf dem Kirchhof. Das half, und seitdem ist der Mann von seiner abscheulichen Plage befreit gewesen.
Mündlich aus Kicker, Kreis Naugard.
Quelle: Volkssagen aus Pommern und Rügen, Ulrich Jahn, Berlin 1889, Nr. 21