DER WILDE JÄGER ALS DRÅK
Eine Viertelstunde von Ritzig entfernt liegt der Hexberg, die höchste Bodenerhebung der ganzen Gegend, mit einer Rundsicht von zwei Meilen nach jeder Richtung hin. Von diesem Berge aus zieht die wilde Jagd, und man sagt dann: »Dei Dråk treckt.«
Einst hütete ein Schäfer des Nachts seine Herde auf dem Felde nicht weit von diesem Berge. Da hörte er mit einem Male lautes Hetzen und Hundegebell rings um die Herde herum. Weil er nun glaubte, der Böse wolle ihn verspotten, so hetzte er nach Kräften mit.
Als die Jagd zu Ende war, warf ihm der Drache eine Menschenlende zu und sagte dabei: »Sô! Häst ôk mit jåge hulpe, kåst ôk mit någe helpe. Då häst ôk wat voer dîn Unmoej.« Von der Zeit an hielt dem Schäfer den Tag über eine unsichtbare Gewalt das Menschenbein über die Schulter, des Nachts war dasselbe immer verschwunden. Niemand wußte ihm zu helfen. Da ging der Mann endlich zu einem Pastor, der die schwarze Kunst verstand; aber auch dem gelang es erst beim dritten Male, das Menschenfleisch fort zu bannen.
Überhaupt ist es auf dem Hexberg nicht recht geheuer. Besonders hat man in der Gegend nach der Neitwîsch (Neidwiese) zu große Züge von Rittern und Königen von ihm herabkommen gesehen.
Mündlich aus Ritzig, Kr. Schievelbein.
Quelle: Volkssagen aus Pommern und Rügen, Ulrich Jahn, Berlin 1889, Nr. 28