58. Der Mond.
I.
Im Monde sitzt ein Mann, welcher mit
der Mistgabel Dung streut, und eine Frau mit ihrem Spinnrad.
Der Mann hat am Samstag Abend Dung gestreut. Obwohl nun der Mond geschienen,
war es dem gottlosen Menschen doch nicht hell genug, denn er rief aus,
so gut, wie der Mond, könne er auch scheinen und noch besser. Zur
Strafe dafür ist er mit seiner Mistfurke in den Mond versetzt worden
und muß dort Tag und Nacht Dung streuen.
Die Frau hat zur selben Zeit gesponnen, statt sich zum kommenden Sonntag
vorzubereiten, und dieselben gottlosen Redensarten gebraucht, wie der
Mann. Dafür sitzt nun auch sie im Mond und muß dort in Ewigkeit
spinnen.
Mündlich aus dem Fürstentum, Regenwalde, Cammin, Usedom-Wollin.
II.
Ein Bauer geht am Sonntag Morgen Holz holen. Da trifft ihn ein Mann mit einem Gesangbuch, der zur Kirche will, und fragt ihn, ob er denn nicht auch hingehen wolle. Antwortet er: "Nein, ich muß Holz holen!" -"Warum mußt du es denn heute holen", fragt der Kirchgänger. - "Weil ich am Arbeitstage keine Zeit dazu habe", erwidert der grobe Bauer. Der Kirchgänger war aber der liebe Gott, welcher jetzt, voll Zorn über die Hartherzigkeit des Mannes, sprach: "Nun, wenn du am Arbeitstage keine Zeit hast, so sollst du von deinem Tode an zur Strafe, so lange die Gestirne auf die Erde herabscheinen, mit deiner Tracht Holz im Monde stehen, zum warnenden Beispiel für jedermann."
Mündlich aus den Kreisen Demmin
und Grimmen,
Volkssagen aus Pommern und Rügen, Ulrich Jahn, Berlin 1889, Nr. 58