DER TOD HOLT EIN MÄDCHEN

Ein Mann ging von Zemmen nach Trzebiatkow. Auf dem Grenzberg begegnete er dem Tod. Arglos begann er eine Unterhaltung mit ihm, denn er wußte nicht, mit wem er es zu thun habe. Da sagte der Unbekannte: »Ich bin der Tod und gehe nach Trzebiatkow, um dort einen Menschen zu holen. Willst du aber einen guten Rat hören, so verhalte dich, wenn du des Abends ausgehst, immer hübsch ruhig und laß das gottlose Pfeifen, Singen und mit den Hunden hetzen; es hilft ja doch zu nichts.«

Als sie nun an das Dorf herankamen, brachen die Leute gerade Flachs und sangen dabei. »Sieh einmal«, hüb der Tod an, »jetzt sind sie so lustig, bald werden sie weinen.« Nachdem er das gesprochen, verließ er den Mann. Beim Flachsbrechen aber war ein großes, starkes Mädchen beschäftigt, das schrie mit einem Male auf: »Ach, mein Kopf!« und war eine Leiche. So hatte der Tod Wort gehalten.


Mündlich aus Trzebiatkow, Kreis Bütow.

Quelle: Volkssagen aus Pommern und Rügen, Ulrich Jahn, Berlin 1889, Nr. 45