125. Der hochgelobte Adel.
Unter den reichen Bürgern der Pommerschen Städte geht ein Sprichwort,
welches scherzweise sagt: Dafür haben wir den hochgelobten Adel.
Man erzählt sich dabei folgende Geschichte: Es lebte einmal in Pommern
ein armes Ehepaar von altem Adel. Die reiseten eines Tages zu Fuße,
und kamen in ein Wirthshaus, wo sie sich hinter den Ofen setzten und ihre
Reisekost verzehrten. Die bestand aus trockenem Brodte und etwas Knappkäse.
Bald darnach kam eine Kutsche, darin saß ein reiches Ehepaar aus
dem Bürgerstande. Die kehrten gleichfalls in dem Wirthshause ein,
und ließen durch ihren Bedienten sich den Speisekasten für
die Reise nachtragen. Darin waren aber kalte Braten, Kuchen, Wein und
mehr dergleichen; das verzehrten sie an einem Tische, den sie sich sauber
decken ließen.
Als solches der arme Edelmann am Ofen gesehen, hat er voll Neides zu seiner
Frau gesagt: Sehet, wie sich das Bürgerpack traktiren kann! Den hat
die Edelfrau aber getröstet mit den Worten: Dafür haben wir
doch den hochgelobten Adel!
Daher ist jenes Sprichwort entstanden.
Dähnert, Pommersche Bibliothek, V. 5. S. 174.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 125