16. Der Bischof Bernard und die Juliner.
Zu der Zeit, als noch ganz Pommern in der Finsterniß des Heidenthums
lag, jammerte dieses einen frommen Mann, Namens Bernhardus, einen Spanier
von Geburt, der in Rom zum Bischof gewählt war, aber das Bisthum
nicht annehmen wollte, da er hörte, daß von dem Capitel desselbigen
Stiftes schon ein Aderer war erwählet worden, mit dem er hätte
streiten müssen. Er gedachte, daß er lieber etwas zur Ausbreitung
der Ehren Gottes beitragen wolle, und er beschloß deshalben, nach
dem Pommerlande zu ziehen, dessen Einwohner noch Unchristen waren, um
sie zum christlichen Glauben zu bekehren. Er begab sich zuerst zu dem
Herzoge Bolislaff von Polen, der zu damaliger Zeit einen großen
Theil von Pommern inne hatte, und erbot sich, daß er hinziehen wollte,
den Pommern zu predigen. Das hörte der Herzog Bolislaff gern, und
er gab ihm Dolmetscher mit in das Land. Dieses war im Jahre 1122.
Darauf zog Bernhardus mit den Dolmetschern nach Julin, da dieses die vornehmste
der Städte war. Allda hob er an zu predigen, und die Dollmetscher
legten es den Leuten aus.
Aber dieser Bernhardus ging, seiner vermeinten Heiligkeit halber, armselig
einher, barfuß und übel bekleidet, und aß nur trockene
und wenige Speisen, und trank nur Wasser. Als er daher mit solchem verhungerten
Gesichte und armseligen Wesen gen Julin die reiche Stadt kommt, da wollte
das Volk nicht auf seine Reden hören, und man frägt ihn, von
wannen er komme, und wer ihn gesandt habe. Darauf gibt er durch den Dolmetscher
die Antwort: Er sei ein Diener des einzigen wahren Gottes, des Schöpfers
des Himmels und der Erden, von dem alle Macht und aller Reichthum komme.
Da dünkt es den Julinern sehr ungereimt, daß ein so großer
reicher Herr, dessen er sich rühmet, einen so unansehnlichen, hungrigen
und zerlumpten Boten sollte ausgeschickt haben, und sie verlachten ihn
und hielten ihn für einen Bettler, der nur darum gekommen wäre,
daß er ihnen das Geld möchte abschwatzen und reich werden,
oder für einen Narren, der seine Armuth bei ihnen büßen
sollte. Sie sagten ihm deshalb, er sollte sich nur bald packen, oder sie
wollten ihm Füße machen. Da hob er an zu sprechen von dem geistlichen
Reichthume, und daß das Reich Gottes nicht in vielem Gelde und äußerlicher
weltlicher Pracht, sondern nur in der Kraft und That des Geistes bestehe;
darum sollten sie sich nicht ärgern an seiner Armuth und Schlechtheit,
denn sein Gott sei ein solcher, der die Reinigkeit des Herzens haben wollte,
und der vergänglichen Gutes nicht achte. Er sagte ihnen weiter, daß
ihre Götter keine Götter, sondern nur Holz und Steine wären,
die sich selbst nicht helfen könnten, vielweniger denjenigen, die
sie ehren. Damit sie auch sehen sollten, daß sein Gott der wahre
Gott, und er sein echter Diener wäre, so sollten sie ihn in ein altes
Haus setzen und dasselbe mit Feuer anzünden, wo sie dann sehen würden,
daß er nicht verbrenne. Das war nun sehr viel von ihm. Die Priester
und die Bürger der Stadt hielten auch einen Rath und fragten einander,
was sie bei so gestalteten Sachen thun sollten. Aber da sprachen Etliche
von ihnen, der Mensch sei wohl seiner Armuth halber in Verzweiflung, also
daß er nicht mehr leben wolle. Andere meinten, er wäre nicht
bei Sinnen. Und wieder Andere waren der Meinung, er wolle, daß die
ganze Stadt in Feuer aufgehe, damit er also für seine Abweisung Rache
nehme. Sie verlachten ihn deshalb nur um so mehr, und geboten ihm, straks
die Stadt zu räumen und sich zu entfernen, damit er ihre Götter
nicht beleidige.
Da entbrannte der fromme Mann in großem Eifer, und er nahm eine
Axt und hieb in ein Götzenbild, das mitten auf dem Markte stand und
sehr heilig gehalten wurde. Nun ging aber auch den Heiden die Geduld aus,
und sie fielen über ihn her und schlugen ihn sammt seinen Dolmetschern
blau und gebrechlich. Sie hätten ihn auch todt geschlagen, aber die
Götzenpriester und die Aeltesten der Stadt beriethen, wie es vor
Jahren den Preußen schlecht ergangen, die den heiligen Adalbert
getödtet hatten, und darüber viel Druck und Elend erlitten und
alle das Ihrige verloren. Sie beschlossen also, ihn, ohne ihm größer
Leid zuzufügen, aus dem Lande zu entfernen, und sie setzten ihn in
ein Schiff, das brachten sie in das frische Haff, und ließen ihn
fahren, wohin er wollte, ihm sagend, nun solle er den Fischen predigen,
die würden mehr Zeit haben, solch Gaukelwerk anzuhören.
Da sah Bernhardus ein, daß er mit seiner Armuth nichts ausrichten
könne; er ging zurück zum Herzog Bolislaff, dem berichtete er
die Sache, und zog darauf nach Bamberg, wo Sanct Otto Bischof war; allda
begab er sich in das Kloster zu Sanct Michael, und berichtete dem heiligen
Otto, wie es ihm zu Pommern ergangen wäre, und sagte, so Einer den
Pommern predigen wolle, der müsse nicht arm kommen, sondern mit Reichthum.
Das hat sich der heilige Bischof Otto wohl gemerkt, als er hernach auszog,
die Pommern zu bekehren.
N. Daniel Cramer, Große Pommersche Kirchen-Chronik,
I. S. 19.
Th. Kantzow, Pomerania, S. 75-77.
P.F. Kanngießer, Geschichte von Pommern, S. 541-545.
Joh. Bugenhagii Pomerania, p. 83.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 16