109. Der Büttel und die grauen Mönche zu Stralsund.
Im Jahre 1516 starb zu Stralsund ein Büttel, Namens Matthias.
Er war ein großer Mann mit einer absonderlich großen Nase,
wie man unter vielen hundert Menschen kaum eine wiederfindet. Er war aber
auch ein sehr gottesfürchtiger und frommer Mann, weshalb er ein gutes
Gerücht unter den Bürgern hatte und mit ihnen zu Bier saß,
und ihm Niemand etwas dagegen sagte. Als er zum Sterben kam, sandte er
zu den Mönchen im grauen Kloster, um ihm die Beichte zu hören
und die letzte Oelung zu geben. Es kam auch der Guardian des Klosters
selbst zu ihm, benamet Johann Wrede, aus Lübeck gebürtig, und
reichte ihm die Sacramente, worauf er am anderen Tage starb.
Weil er nun Zeit seines Lebens ein so gottesfürchtiger Mann gewesen,
und jedermann ihm zugethan war, so sollte er ein ehrliches Grab bekommen,
ob es gleich der Büttel war. Allein dagegen wehrten sich die Geistlichen
der Stadt; die drei Capellane der drei Stadtkirchspiele traten zusammen
bei dem Offizial, Herrn Johann Tagge, und dieser befahl darauf, daß
man die Leiche auf keinem geweiheten Kirchhofe begraben solle, damit der
Büttel, so wie er im Leben mit den anderen Christen keine Gemeinschaft
durch die Sacramente gehabt habe, so auch im Tode keine Gemeinschaft mit
einem Christen haben solle. So wollten sie ihn nur auf ungeweihetem, offenem
Felde begraben.
Das that Vielen leid, die ihn gern in geweiheter Erde gesehen hätten.
Sie wußten aber nicht, wie sie zu ihrem Wunsche gelangen sollten.
Da kamen auf einmal des Nachmittags um zwei Uhr zur Vesper die grauen
Mönche in die Büttelei. Sie kamen mit allen ihren Brüdern,
und zogen ihm eine graue Kappe an, so wie sie selbst trugen, und holten
ihn also nach ihrem Kloster. Sie sangen ihm vor und trugen ein Kreuz vor
ihm her, wie bei jeder anderen christlichen Leiche. Vier Laienbrüder
trugen ihn, und viel Volks folgte. Also trugen sie ihn in ihren Kreuzgang,
allda begruben sie ihn, wie Einen von ihren Brüdern. So vermessen
waren damals die grauen Mönche. Nach dem Verbote des Offizials fragten
sie nichts, und sie erwiderten darauf: Wer ihr Kleid anziehe, der werde
selig und nicht verdammt, das habe Franziscus von Gott gewonnen; - »vam
Duvel, wert se menen,« setzt der evangelische Chronikant hinzu,
dem diese Sage entnommen ist.
Vergleiche Stralsundische Chroniken, von Mohnike und Zober, S. 221. 222.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 109