113. Der Calands-Ornat zu Stralsund.
Auf der Achtmanns-Kammer zu Stralsund befinden sich zwei Schränke,
die »Calandsschränke« geheißen. Sie stammen aus
der Zeit, in welcher zu Stralsund sich eine Calandsbrüderschaft befand,
der sie gehört haben. Beide Schränke sind von mittler Größe,
mit doppelten Thüren, und ruhen auf tischhohen Füßen.
Die Thüren sind auswendig bemalt; auf der Einen steht ein Mann in
vollem Priesterornate, mit einem Buche unter dem linken Arm, die rechte
Hand zum Segensprechen aufgehoben. Auf der andern ist ein Mann in weltlicher
Kleidung abgebildet, einen speerähnlichen Stab in der Hand, und vor
sich einen Knaben, der ein Buch hält. In diesen Schränken liegen
zwei Chorhemden, ein Meßgewand, eine Mütze, ein Calandsbeutel
und ein kleines fein gesticktes Kissen, an den Enden wie eine Bratwurst
zusammengebunden. Die Chorhemden und das Meßgewand sind von starker,
schwerer Seide, und reich mit Gold in Gestalt von allerlei künstlichen
Figuren durchwirkt. Auf dem einen Hemde ist in dieser Art der Erlöser
am Kreuze mit den Aposteln dargestellt. Die Mütze ist von geblümtem
seidenen Zeuge, an beiden Seiten aufgeschlagen, und glatt an den Kopf
anschließend. Der Beutel ist reich gestickt. Er diente zum Tragen
des Gebetbuchs, weshalb er auch gewöhnlich »Booksbeutel«
genannt wurde. Das Alles ist das Ornat eines ehemaligen Calandsbruders.
Warum es in den Schränken noch aufbewahrt wird, weiß man nicht
mehr. Aber so viel ist gewiß, daß es eine besondere Bewandniß
damit haben muß, und daß Keiner ungestraft damit seinen Spott
treiben darf. Das hat vor mehreren Jahren ein Bürgermeister in Stralsund
erfahren. Der bekleidete sich einst aus Uebermuth mit diesem Ornate, ungeachtet
ihn Alle warnten, und ihm vorhersagten, es werde ein Unglück daraus
entstehen. Denn ein Bürgermeister von Stralsund ist etwas übermüthiger
Natur. Aber am anderen Morgen fand man ihn todt in seinem Bette.
Vgl. Pommersche Provinzialblätter, von Haken, IV. S. 90. 91.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 113