190. Der Dubberworth.
An der Südseite des Fleckens Sagard auf der Rügenschen Halbinsel
Jasmund findet man ein ungeheuer großes altes Riesengrab, der Dubberworth
geheißen. Es hat einen Umkreis von 170 Schritten und ist
16 Ellen hoch. Oben ist es mit allerlei Strauchwerk und mit Dornen
bewachsen. In den Büchern heißt es zwar, unter diesem Dubberworth
sey eine Riesin begraben, und ein anderes Riesenweib habe ihr dieses Grab
errichtet, indem sie Erde und Steine dazu ganz allein von der Stubnitz
über eine halbe Meile weit hergetragen habe. Allein die Leute in
Sagard und ganz Jasmund wissen es besser, wie der Dubberwarth entstanden
ist.
Es wohnte nämlich vor undenklichen Zeiten auf Jasmund ein mächtiges
Riesenweib, unter deren Botmäßigkeit die ganze Halbinsel stand.
Die hatte sich in einen Fürsten von Rügen verliebt, und trug
sich ihm zum Gemahl an. Der Rügensche Fürst aber wollte nichts
von ihr wissen, und gab ihr einen Korb. Darüber gerieth die Riesin
in einen schrecklichen Zorn, und sie berief alle ihre Kriegsleute zusammen,
um den Fürsten zu zwingen, daß er sie heirathe, oder sein ganzes
Land zu verwüsten. Weil sie nun aber befürchtete, über
die Meerenge zwischen Jasmund und Rügen, bei der Lietzower Fähre,
mit ihrem Kriegsvolke nicht geschwind genug hinüber kommen zu können,
so beschloß sie, dieselbe auszufüllen, so daß sie einen
breiten und bequemen Uebergangsweg hätte. Zu dem Ende ging sie zur
Stubnitz, und lud allda ihre ungeheure Schürze voll Erde und Steine.
Wie sie damit aber bis in die Gegend von Sagard gekommen war, da riß
auf einmal ein Loch in die Schürze, und aus demselben fielen so viel
Erde und Steine heraus, daß davon sofort der große Hügel
entstand, der jetzt der Dubberworth heißt.
Die Riesin hatte sich dies Unglück zwar noch nicht verdrießen
lassen, und war weiter gegangen bis zur Lietzower Fähre. Allein hier
war ihre Schürze ganz zerrissen, und von dem Herausgefallenen entstanden
die Hügel, die man in der Nähe der Fähre sieht. Das sah
sie denn doch für ein böses Zeichen an, und sie stand nun von
ihrem Vorhaben ab.
Gesterding, Pommersches Museum, I. S. 135.
Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern, I. S. 580.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, II. S. 239.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 190