18. Das heidnische Edelweib zu Cammin.
Nachdem Bischof Otto in Pyritz also getauft hatte, zog er zuerst auf
das Schloß in Stargard zu dem Herzog Wartislav, von da aber weiter
nach Cammin, wo er wieder predigte und das Volk taufen wollte. Allein
sein Werk wollte hier keinen rechten Fortgang haben, und es waren anfangs
nur Wenige, die sich taufen ließen, bis dieses auf einmal durch
ein sichtbarliches Wunder anders wurde. Es war nämlich auf dem Lande
nicht weit von Cammin ein Edelweib, sehr gewaltig und reich, so daß
ihr Mann wohl mit dreißig Pferden zu reiten pflegte. Dasselbige
Weib war sehr gottlos und schimpfte gegen das neue Christenthum und sagte,
daß sie ihres Vaters Glauben in keine Wege übergeben wolle.
Und weil es gerade in der Ernte war, zwang sie ihre Leute, die schon großentheils
getauft waren, auf einen Sonntag zu mähen und zu erndten, und wollte
sie nicht zur Kirchen nach Cammin gehen lassen, sprechend: Was liegt mir
an dem neuen Gotte, den der Bischof von Bamberg herbringet; sehet Ihr
nicht, welche schöne und große Früchte uns unsere Götter
gegeben haben? die laßt uns werben und verzehren! Wie das Gesinde
nun aber noch zögerte, da ließ sie einen Wagen zurichten und
fuhr mit aufs Feld; und wie sie nach der Art der Pommern ein stark Weib
war, nahm sie eine Sense, und begann selbst zu mähen, und sagte:
Laßt sehen, was mir der Christen Gott darum wird thun können!
Sie schalt auch die Anderen, daß sie nicht ihre Sensen nehmen und
mähen wollten.
Und als sie so schalt und tobte, da verstarrte sie plötzlich von
Stund an, und blieb gebückt stehen, konnte sich auch weder aufrichten,
noch Sense oder Halm aus den Händen los werden, konnte auch nicht
reden, sondern stand also stumm, und sah gräulich aus, wie ein hölzern
Bild. Das Gesinde erschrak sehr, ergriffen sie beim Leibe und wollten
ihr die Sense nehmen, konnten das aber nicht, und standen lange und warteten,
ob es nicht wollte besser mit ihr werden. Darum riefen sie sie an und
ermahnten sie, daß sie sich möchte zu Jesum Christum bekennen
und ihn um Gnade bitten, so werde er ihr helfen. Aber sie konnte nicht
antworten und nicht einmal ein Zeichen von sich geben, bis sie nach einer
Weile plötzlich niederstürzte und todt war.
Als solches Wunderwerk ist lautbar geworden im Lande, da haben Alle, die
es gehört, den wahren Gott erkannt, und haben sich taufen lassen
und sind Christen geworden, also daß der heilige Otto vierzehn Wochen
lang in Cammin bleiben mußte, um alle zu taufen, die sich meldeten.
Kantzow, Pomerania, I. S. 98.
Micrälius, Altes Pommerland I. S. 149.
Kanngießer, Gesch. v. Pomm. S. 600-602.
Joh. Bugenhagii Pomerania, p. 89.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 18