233. Der Teufelsdamm im Galenbecker See.
Auf der Grenze zwischen Pommern und Mecklenburg liegt der Galenbecker
See. In diesem sieht man die Ueberbleibsel eines ungeheuren, nicht ganz
fertig gewordenen Dammes, der gerade mitten durch den See geht. Dieser
Damm heißt der Teufelsdamm, und man erzählt sich über
seine Entstehung Folgendes: Vor Zeiten lebte in der Gegend ein Schäfer,
der mußte alle Morgen seine Heerde fast rund um den See auf die
Weide treiben, und eben so mußte er auch einen solchen Umweg machen,
wenn er sie des Abends in den Stall zurücktrieb. Das verdroß
den Schäfer, und er wünschte sich manchmal im Stillen und laut,
daß doch durch den See ein Damm gehen möge, auf dem er geraden
Weges seine Schaafe treiben könne.
Eines Abends, als er mit seiner Heerde zu Hause zurückkehrte, und
es ein wüstes Wetter war, verspätete er sich so, daß es
fast Mitternacht wurde, wie er noch immer an dem See war. Als er nun wiederum
seiner gewohnten Weise nach den Umweg verwünschte, den er nehmen
mußte, da trat auf einmal ein Wandersmann an ihn heran, der hörte
mit stillem Lachen seinen Klagen zu, und sagte dann: Da wäre zu helfen.
Einen Damm durch den See baue ich dir wohl leicht, wenn dir so viel daran
gelegen ist; du mußt mir nur versprechen, daß du dafür
auf immer mein eigen seyn willst. Das kann dir ja nichts verschlagen,
denn ich bin selbst nur ein einfältiger Hirte wie du, und wenn du
mir eigen bist, so bin ich ja auch dein.
Solchen gewagten und arglistigen Reden hörte der Hirt wohl an, mit
wem er es zu thun habe, und daß es der Teufel sey. Anfangs übernahm
ihn die Angst, bald aber faßte er sich ein Herz, und er antwortete:
Kamerad, das soll ein Wort seyn, was du da sagst, aber unter der Bedingung,
daß der Damm vor dem ersten Hahnenrufe fix und fertig ist. Das sagte
ihm der Teufel zu, und der Schäfer mußte nun auf Befehl des
Teufels ein junges schwarzes Lamm schlachten. Von dem trank der Teufel
das warme Blut auf. Währenddeß schlug die Thurmglocke in dem
nahen Dorfe Mitternacht. Auf einmal erhob sich in dem Walde, der den See
umgab, ein fürchterliches Brausen des Sturmes, und nun sah der Schäfer,
wie der Teufel in dem Sturme hin und her flog, und die größten
Eichen anpackte und aus der Erde riß, wie man Unkraut ausjätet,
und sie in den See hineinwarf, eine neben der andern und übereinander,
so daß sie sich zu einem breiten, hohen Damm zusammenfügten,
der immer größer wurde, und dem anderen Ufer des Sees sich
immer mehr näherte.
Der Schäfer, als er den Pakt einging, hatte in seinem Sinne gedacht,
der Teufel werde in einer Nacht mit dem Damme unmöglich fertig werden.
Als er aber jetzt sah, wie geschwinde das Werk dem Bösen von der
Hand ging, da gerieth er in große Angst; doch, klug wie er war,
besann er sich auf eine List, und er fing an zu krähen, wie ein Hahn,
damit der Teufel glauben solle, der Hahn habe wirklich gekrähet,
und solle seine Arbeit fallen lassen, bevor sie fertig sey. Aber der Teufel
merkte die List, und sagte lachend zu ihm: Die Stimme kenne ich, Schäfer;
der Hahn verdirbt mir mein Werk noch nicht. Und nun arbeitete er nur desto
emsiger weiter, daß der Damm schon bald fertig war, und dem Schäfer
immer banger wurde. Der besann sich vergebens auf ein anderes Mittel,
den Klauen des Satans zu entgehen. Es wollte ihm nichts einfallen. Da
fing er zuletzt in seiner Todesangst so laut und schreiend an zu krähen,
daß es natürlich lautete, als wenn ein Hahn den regnenden Morgen
ankündigt. Und der Teufel glaubte, das sey ein wirklicher Hahn, der
gekrähet. Er rief: das ist der rothe Hahn, und warf zornig den Baum,
den er gerade gefaßt hatte, mitten in den See hinein und verschwand
eilig unter Blitz und Donner.
Andere sagen, dies letzte Krähen sey von der Mutter des Schäfers
geschehen, welcher sich dieser in seiner Angst entdeckt, und welcher es,
weil sie eine sehr gottesfürchtige Frau gewesen, gelungen sey, den
Teufel zu bethören.
Der Damm, welcher auf solche Weise nicht fertig geworden, geht wie eine
schmale Landzunge in den See hinein.
Freyberg, Pommersche Sagen, S. 70-74.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840,
Nr. 233