189. Hühnengräber auf Rügen.
Man findet wohl nirgends so viele und so große Hühnengräber,
als auf der Insel Rügen. Sie sind theils von ungeheuren Steinen aufgebauet,
welche einen Umfang haben, daß Menschen von gewöhnlichen Kräften,
und wenn deren auch noch so viele sich zusammengethan hätten, sie
nicht hätten aufrichten können. Sie sind theils von bloßer
Erde, aber dann so groß, daß sie wie kleine Berge aussehen.
Man glaubt daher auch nicht, daß sie von Menschenhänden errichtet
sind; vielmehr wissen die Leute auf Rügen, daß die großen
Riesenweiber, von denen in der Heidenzeit die ganze Insel bewohnt gewesen
ist, sie aufgebauet haben. Auf solche Weise sind namentlich entstanden:
Der Steinsatz bei Muckrahn auf Jasmund. Er liegt links von dem
genannten Dorfe am Wege nach dem Darßin und nach dem Dorfe Krampartz;
er liegt ganz genau von Osten nach Westen, besteht aus vielen Steinen,
und hat eine Länge von 36 und eine Breite von 12 Schritten. Eine
Riesin hat hier ihre beiden Kinder begraben, die durch ihre Sorglosigkeit
in der See ertrunken waren. Deshalb stehen auch am Westende des Grabes
zwei große Ecksteine, von denen der eine jetzt in die Erde versunken
ist, der andere aber, der auf der Kante steht, eine Höhe von vier
Ellen mißt.
Der Pfenningkasten in der Stubnitz. Er liegt im Walde, eine gute
Viertelstunde vom schwarzen See. Er besteht aus mehreren großen,
im Viereck zusammengefügten Steinen, um welche herum einige kleinere
Steine aufgerichtet sind. Die Priester der Göttin Hertha haben hierher
das Opfergeld gebracht, welches für die Göttin eingekommen war.
Daher ist auch der Name entstanden.
Die Siegsteine bei Klein-Stresow. Dies sind mehrere Steinkegel,
die gruppenweise in einer Ebene, am Fuße der Stresower Tannenhügel,
nach der Seite von Dummertewitz hin stehen. Hier haben in uralten Zeiten
die Mönchguter und Putbusser einen blutigen Kampf gehabt. Die Riesenweiber,
welche den Siegern beigestanden, haben zum Andenken diese Steine aufgerichtet.
Auf welcher Seite der Sieg gewesen, weiß man aber nicht mehr.
Der Opferstein bei Quoltitz auf Jasmund. Jenseits des Krattbuschberges
auf Jasmund, am Fuße der gegenüber liegenden Quoltitzer Berge,
breitet sich ein Thal aus; in dessen Mitte liegt ein einzelner grauer
Stein, länglich rund, am Nordende zugespitzt, und oben glatt abgeplattet.
Derselbe ist vier Ellen lang und beinahe zwei Ellen hoch. Er hat den alten
Heiden zum Opfersteine gedient. Man findet noch oben auf der Platte eine
querlaufende Rinne, und unter derselben zwei Vertiefungen in dem Steine,
von denen die Leute sagen, daß der Opferpfaffe in dieselben die
Blutgrapen gesetzt habe.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, II. S. 232-235.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 189