10. Strafe des Kirchenraubes.
Vor vielen hundert Jahren, als die Pommern noch Heiden waren, hatten
sie zu einer Zeit viele Kriege mit den Polen. Der Herzog Bolislaff von
Polen hatte damals einen großen Theil von Pommern inne. Das verdroß
sehr den Fürsten Wartislav in Vorpommern und er machte deshalb Verständniß
und Freundschaft mit Swantebor, dem Fürsten von Hinterpommern, daß
er von dem Polen-Herzoge abfiel; und er gewann auch wiederum die Städte
Wollin, Camin, Colberg, Belgard, Cöslin und andere, welche ihm der
Herzog von Polen abgenommen hatte, und befestete sie.
Da der Herzog Bolislaff solchen Abfall hörte, brachte er Volk auf,
und zog damit vor das Pommersche Schloß Zarnekow, in welchem ein
gewaltiger Edelmann Namens Gniefomer lag, und belagerte dasselbe und hat
es endlich eingenommen. Die Pommern waren aber auch nicht faul, und kamen
mit etlichen tausend Mann vor Zarnekow, welches die Polen aufgeben mußten.
Darauf zogen jene weiter in das Land Polen hinein, bis nach Gnesen und
verwüsteten und verdarben viele Dörfer und Flecken. Auch brachen
sie der Könige und Herzöge von Polen Begräbnisse auf, und
nahmen die Todtenköpfe und Gebeine heraus und schlugen den Todtenköpfen
die Zähne aus, und zerstreuten sie dann auf den Feldern. Also trieben
sie überall großen Muthwillen und Gewalt, und besonders raubten
sie die Heiligthümer aus den Kirchen, als Patenen, Kelche und viele
andere Kleinodien. Auch den Bischof Martinus von Gnesen wollten sie fangen,
der gerade auf einem Dorfe war, um eine neue Kirche einzuweihen; allein
der fromme Mann entkam ihnen, und sie fingen statt seiner nur seinen Archidiakonus
Nicolaus, den sie jedoch, da er ein alter, zitternder Mann war, wieder
los ließen.
Für solche Gewalt und Gräuel wurden die Pommern hart gestraft.
Denn wie sie hernach in ihre Heimath gekommen waren, und die geraubten
Kelche und Patenen bei ihren Banketten als Trinkgeschirr gebrauchten,
da verfielen plötzlich Alle, so daraus getrunken, mit Weibern und
Kindern, in schwere unsinnige Raserei, also daß sie sich untereinander
jämmerlich verwundeten und umbrachten.
Solche Zeichen und Strafen Gottes brachten große Furcht unter sie.
Sie schickten deshalb das geraubte Kirchengut dem Bischofe von Gnesen
zurück, worauf sie wieder vernünftig wurden und Ruhe erhielten.
- Solches geschah im Jahre 1109.
D. Cramer, Große Pomm. Kirchen-Chronik,
I. S. 21.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 79.
Kanngießer, Pomm. Geschichte, S. 423-426.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 145.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 10