137. Der Königsstuhl auf Stubbenkammer.
Die höchste Spitze des Vorgebirges Stubbenkammer auf der Insel Rügen
heißt der Königsstuhl. Der Name ist daher entstanden, daß
hier in alten Zeiten den Königen der Insel gehuldigt ist. Sie haben
dabei auf einem hohen, künstlich von Erde erbaueten Stuhle gesessen.
Man sagt, die Rügianer hätten damals ihre Könige selbst
gewählt, sie hätten aber nur den Kühnsten genommen, und
zum Beweise der Tapferkeit verlangt, daß der König von der
Uferseite her den Stuhl besteigen müsse. Das ist aber ein großes
und schweres Stück Arbeit; denn der Kreidefels, auf dem sich der
Königsstuhl befindet, ist nach der See hin mehrere hundert Fuß
hoch und ganz jäh und schroff. Es geht auch noch eine alte Sage unter
dem Volke, daß künftig Einer, der von der Seeseite her den
Königsstuhl ersteige, Herr des Landes werden solle.
In neueren Zeiten haben mehrere kühne Männer das Wagestück
versucht, aber keinem hat es gelingen wollen. Am weitesten ist der Schiffer
Paulsen von Bergen gekommen; allein ganz hat er nicht hinaufgelangen können.
Nur von dem Könige Carl dem Zwölften von Schweden sagen einige
Leute, daß es ihm geglückt sey, und daß er darauf oben
auf der Spitze ganz ruhig sein Frühstück verzehrt habe.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J.
D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 137