256. Die brennende Mütze.
In der Gegend von Greifenhagen lebte einmal ein Amtmann, der sehr reich
war. Sein Getreide gedieh immer am besten auf dem Felde, und seine Heerden
vermehrten sich von Jahr zu Jahr. Da nahm er zuletzt einen Schäfer
an, dem er auf dessen eigene Gefahr seine Schafheerde verpachtete. Von
Stund' an ging die Heerde zu Grunde. Es ging beinahe kein Tag vorbei,
daß nicht ein paar der schönsten Schafe starben. Der Schäfer
mußte sie mit schwerem Gelde ersetzen, so daß er zuletzt so
arm wurde, daß er kein Brod mehr im Hause hatte. Bald darauf starb
der reiche Amtmann.
Um diese Zeit ging der Schäfer einmal in den Wald, um sich etwas
trocknes Holz zu suchen, damit er sich und seine Kinder gegen die Kälte
schützen könne. In dem Walde fand er einen Strick, und wie er
gerade recht über sein Elend nachdachte, so nahm er in großer
Verzweiflung denselben, um sich daran aufzuhängen. Auf einmal kam
ein kleiner Mann auf ihn zu, der ermahnte ihn, von seinem Vorhaben abzustehen,
und erst mit ihm zu den Wohnungen der Bösen zu gehen. Das war der
Schäfer zufrieden, und der kleine Mann führte ihn zu den Wohnungen
der Bösen. Hier sah er lauter brennende Menschen, die mitten in den
heißesten Flammen steckten. Unter denselben erkannte er auch seinen
verstorbenen Herrn, den Amtmann. Dieser brannte schrecklich, und bat den
Schäfer, er möge seine Frau von ihm grüßen. Der Schäfer
versprach ihm das, aber er meinte, die Frau werde ihm nicht glauben, wenn
er kein Zeichen von ihm habe. Darauf warf der Amtmann ihm eine brennende
Mütze zu, die aber sogleich aufhörte zu brennen, als der Schäfer
sie aufhob. Dabei sagte er zu diesem, die solle er seiner Frau geben.
Als hierauf der Schäfer gehen wollte, sagte der Amtmann noch zu ihm,
daß er ihn mit den gestorbenen Schafen betrogen habe, und er trug
ihm auf, sich seinen Schaden von seiner Frau ersetzen zu lassen.
Der Schäfer ging zuletzt mit dem kleinen Manne wieder fort. Dieser
begleitete ihn bis an sein Haus, und sagte unterwegs zu ihm, daß
er ja die Mütze nicht behalten solle, weil er sonst dahin müsse,
wo der Amtmann sey. Am anderen Tage ging der Schäfer zu der Amtmannsfrau;
der brachte er den Gruß von ihrem Manne und gab ihr auch die Mütze,
wogegen er den Ersatz für die bezahlten Schafe erhielt. Die Mütze
behielt die Frau; aber sie hatte von dem Augenblicke an, daß dieselbe
in ihrem Hause war, keine Ruhe und kein Glück mehr. Sie ließ
deshalb den Schäfer wieder kommen, und bat ihn, die Mütze zurückzunehmen;
das wollte dieser Anfangs nicht, als ihm die Frau aber 6000 Thaler bot,
da ließ er sich verblenden und nahm das Geld und die Mütze.
Doch so wie er damit in sein Haus kam, wurde er auf der Stelle gefährlich
krank, worauf er alsbald Mütze und Geld wieder auf das Amthaus schickte.
Die Amtmannsfrau wollte die Mütze aber auch nicht behalten, und sie
ließ sie daher in der Kirche des Dorfes einmauern, wo sie sich noch
befindet.
Mündlich.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 256