111. Der Teufel in der Nicolaikirche in Stralsund.
Im Jahre 1528 lebte zu Stralsund eine Magd, so vom bösen
Geiste besessen war. Sie war bisher immer eine stille und ordentliche
Person gewesen; auf einmal aber, da sie eines Tages in der Küchen
Kessel und Grapen von der Wand nehmen wollte, selbige zu scheuern, warf
sie die herab auf die Erde, sah sehr gräulich, und rief mit lauter
Stimme: Ich will heraus! Man vermerkte darauf die Gelegenheit, daß
sie vom Teufel besessen wäre. Ihre Mutter nahm sie derohalben zu
sich, und sie wurde etliche Male auf einem Schlitten in die St. Nicolauskirche
geführt, den bösen Geist von ihr auszutreiben. Wann die Predigt
beendigt war, ward er beschworen. Da befand es sich denn aus seiner Bekenntniß,
daß die Mutter der Magd einmal auf dem Markte einen frischen sauren
Käse gekauft, den sie in den Schrank gesetzt hatte. Die Magd war
in Abwesenheit ihrer Mutter an den Schrank gekommen, und hatte von dem
Käse ein gut Theil gegessen. Als nun nachher die Mutter das gesehen,
hat sie demjenigen, der bei dem Käse gewesen, den bösen Geist
in den Leib geflucht. Von Stund' an hat dieser in der Magd hausgehalten.
Nun war es sonderbar, daß die Magd seither zum heiligen Abendmahl
gegangen war. Als man den Teufel hierüber befragte, hat er zur Antwort
gegeben: Es liege wohl manchmal ein Schalk unter der Brücke und lasse
einen frommen Mann über sich hingehen; während die Magd das
Abendmahl genossen, habe er ihr unter der Zungen gesessen.
Selbiger böser Geist konnte lange Zeit nicht aus der Magd herausgebannt
werden. Denn obzwar er viel von dem Prediger beschworen wurde, auch männiglich
in der Kirche auf die Kniee gefallen und fleißig und andächtig
gebetet, so hat er doch mit dem Austreiben nichts als Spott und Kurzweil
getrieben. So hat er oft gesagt: Ja, er wolle weichen, er müsse auch
wohl räumen; aber er hat allerlei gefordert ihm zu erlauben, daß
er es mitnehmen dürfe; wann ihm dann nun das Eine abgeschlagen wurde,
so hatte er gleich das Andere bei der Hand. Es stand Einer in der Kirchen,
der den Hut aufbehalten hatte; da forderte er von dem Prediger, daß
er den Hut dem Menschen vom Kopfe nehmen und mit sich führen dürfe.
Aber der Prediger trug mit Recht Sorge, wenn er ihm den Hut gestattet,
so hätten mit dem Hute auch Haut und Haar davongehen müssen.
Letztlich aber, als er vermerkte, daß seine Zeit verflossen, und
unser Herr Gott das Gebet der Leute gnädiglich erhöret, forderte
er spöttisch eine Scheibe aus dem Fenster über der Thurmuhr.
Die wurde ihm verstattet, und nun sah man alsbald, wie mit einem großen
Klange die Raute sich aus dem Fenster gelöset, und mit dem Teufel
davon geflogen ist. Nach der Zeit hat man nichts Böses weiter bei
der Magd verspüret, welche auf einem Dorfe einen Mann bekommen, von
dem sie viele Kinder gezeuget.
Gastrow Lebensbeschreibung, Th. I. S. 71-74.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 111