161. Die Räuberhöhle bei Schmölle.
Bei dem Dorfe Schmölle nicht weit von jenem Leichensee findet man
eine große Höhle, noch jetzt die Räuberhöhle geheißen.
Diese ist der Schlupfwinkel des Hans von Ramin und seiner Genossen gewesen,
worein sie alle ihre geraubten Schätze gebracht. Hans von Ramin hatte
einen Bruder, der in Schmölle wohnte, und der eben so gottlos war,
wie jener. Der hatte einstmals ein adliges Fräulein der Gegend geraubt,
mit welcher er in diese Höhle flüchtete. Hier wollte er sie
zwingen, ihm zu Willen zu seyn; wie die Jungfrau sich aber hartnäckig
zur Wehre setzte, ließ er ihr den Kopf abschlagen.
Der Geist dieses Fräuleins ist nachher noch lange um die Räuberhöhle
herumgegangen. Zuletzt hat sie vor noch nicht gar zu vielen Jahren ein
Schäfer gesehen. Dieser weidete in der Gegend seine Heerde, als er
auf einmal einer ganz schwarz gekleideten Jungfrau ansichtig wurde, die
am Eingange der Höhle stand und ihm winkte, zu ihr zu kommen. Anfangs
graute sich der Schäfer; am Ende nahm er sich aber ein Herz und ging
zu ihr und folgte ihr in die Höhle hinein. Hier fand er viele und
große Haufen von Schätzen, und die Jungfrau sagte ihm, daß
er davon nehmen könne, so viel er möge, daß er auch alle
Tage, aber nur um dieselbe Stunde, wiederkommen könne. Darauf verschwand
sie. Der Schäfer that, wie sie ihm geheißen hatte, und er ist
ein reicher Mann geworden. Die Jungfrau hat man aber seitdem nicht wiedergesehen.
Nur am Johannistage soll man in der Höhle noch schwache Klagelaute
hören.
Mündlich.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 161