145. Ritter Flemming.
Vor vielen hundert Jahren lebte auf der Insel Wollin ein tapferer Ritter, Namens Flemming, der war einst mit dem Herzog Barnim von Pommern auf einen Kreuzzug zum heiligen Grabe gezogen, und hatte seine Mutter Barbara, die ihn sehr liebte, allein mit einigen Knechten auf der Burg zurückgelassen. Wie nun die Wittwe Barbara täglich nur für eine glückliche Rückkehr ihres Sohnes betete, und um das Hauswesen nicht viel sich bekümmern konnte, da trieben die Knechte allerlei Unwesen, und insonderheit legten sie sich auf Wegelagerung, und plünderten und erschlugen einen Jeden, der durch die Gegend zog. Eines Abends, als sie auch wieder auf der Lauer lagen, sahen sie einen einsamen Pilgersmann des Weges kommen. Der ging langsam und müde, und seufzte oft schwer auf. Daraus schlossen die Knechte, er müsse große Schätze bei sich führen, die er aus fernen Landen mitgebracht, und an denen er schwer zu tragen habe. Sie fielen daher unversehens über ihn her und erschlugen ihn. Sie fanden aber nichts bei ihm, als einen goldenen Ring, den er am Finger trug, den nahmen sie. Weil der Ring nun ein sonderbares Wappen führte, so zeigten sie ihn am anderen Tage der Edelfrau, und wie die den Ring besah, da erkannte sie ihn, daß er ihrem Sohne gehöre, und sie fragte hastig, wo der sey, so den Ring getragen? Da mußten die Knechte gestehen, daß sie ihn im Felde erschlagen hätten, und der Leichnam liege noch da. Jetzt war es schrecklich anzusehen, wie die alte, greise Edelfrau die Hände rang und jammerte. Sie lief zu der Stelle, wo ihr Sohn lag, und als sie ihn erkannt hatte, faßte die Verzweiflung sie, und sie stürzte sich in einen tiefen Sumpf, der in der Nähe war. Die Stelle, wo der Ritter Flemming erschlagen ist, befindet sich in der Trebenower Feldmark unweit Wollin. Sie hieß früher der Freudenberg, weil die alten heidnischen Wolliner dort ihren Götzen geopfert und dabei viele Feste gehabt hatten; seit dem Tode des Ritters heißt sie aber bis zur heutigen Stunde der Trauerberg. Der Sumpf, in dem die Edelfrau ihren Tod fand, ist jetzt eine Wiese, und heißt die Barbarawiese von jener Zeit her.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 88-94.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 145