227. Das unterirdische Wasser zu Rothemühle.
Zwei Meilen von Pasewalk liegt mitten in der Forst auf mehreren kleinern
Hügeln das Dörflein Rothemühle. Vor Zeiten stand hier auch
eine schöne Mühle. Deren Bewohner sind einst von Räubern
überfallen und erschlagen, und weil dabei so erschrecklich viel Blut
geflossen ist, hat man das Dorf seitdem Rothemühle genannt. Es kam
nachher zwar ein anderer Müller in die Mühle; aber es war nach
jenem Ueberfalle ein Poltergeist in die Mühle eingezogen, der keinem
Menschen darin Ruhe ließ, so daß bald Niemand mehr darin wohnen
wollte, und die Mühle leer und verlassen stand. Darauf verfiel sie
mit der Zeit ganz; der Poltergeist aber wollte auch nun nicht aus der
Gegend entweichen, und er trieb jetzt den Bach, an dem die Mühle
gegangen war, fast ganz in die Hügel hinein, auf denen das Dorf steht,
so daß der Bach über der Erde nur noch wenig Wasser behielt,
und im Sommer ganz trocken ist. Seitdem treibt der Geist sein Unwesen
und Gepolter im Innern der Hügel unter dem Dorfe. Man hört ihn
dort oft; bald lautet es dort hohl, als wenn das Dorf auf einer Brücke
stände; bald lautet es, wie die dumpfen Schläge einer Münze.
Und das Wunderbarste ist, daß jeder, der es hört, des Glaubens
wird, er vernehme es gerade unter seinen Füßen. Das ist nicht
nur im Dorfe, wo Jeder meint, es sey mitten unter seinem Hause, sondern
auch außerhalb desselben meint man es, wenn man auf den Hügeln
spazieren geht.
Einige Leute, die sich gewaltig klug dünken, nehmen zwar an, das
Klopfen rühre von einem unterirdischen Tropffall her; allein dazu
klingt es viel zu laut, und es kommt auch zu langsam, denn man zählt
in einer Minute nur kaum vierzig Schläge. Zuweilen hört man
es viele Tage lang gar nicht. Daher glauben Andere, die sich für
noch weiser halten, daß unter dem Dorfe ein unterirdisches Feuer
brenne. Aber dann hätte das Dorf wohl schon längst verbrennen
müssen. Das Wahre ist, daß der Poltergeist aus der Mühle
dort zum Zeitvertreib allerlei Wasserkünste treibt. Doch kann auch
wahr seyn, was einige Leute sagen, nämlich daß in den Bergen
ein Förster umgehen und poltern müsse, zur Strafe, daß
er gegen die armen Leute, die Holz geholt, im Leben so hart gewesen und
ihnen so viele Aexte abgepfändet hat. Im siebenjährigen Kriege
soll auch einmal ein russischer Offizier nach Rothemühl gekommen
seyn, der hat sich Alles genau gemerkt, und gesagt, sein Vater habe dort
in einem großen Kriege mit seinem Regimente gestanden, und, als
der Feind ihn zum Rückzuge genöthigt, hier die Kriegskasse vergraben.
Der Offizier hat aber von dem Gelde nichts wieder finden können.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Baltische Studien, V. 1. S. 161.
Mündlich.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 227