235. Die Schätze in Greifswald.
In der Stadt Greifswald, und zwar besonders in dem Theile, welcher der
Schuhhagen genannt wird, und welcher der älteste Theil der Stadt
ist, sollen viele Schätze verborgen liegen, von denen man sich Allerlei
erzählt. Unter Anderem kam vor noch nicht langer Zeit zu einer Frau
in der langen Fuhrstraße drei Nächte hintereinander ein kleines
Männchen, den die Leute einen Glücksboten aus der Unterwelt
nennen, und forderte von ihr, daß sie in den Schuhhagen gehen solle,
wo sie an einer Stelle, die er ihr bezeichnete, einen großen Schatz
finden werde. Anfangs wollte die Frau nicht. In der dritten Nacht aber
entschloß sie sich hinzugehen, weil auch ihr Mann ihr viel zuredete.
Als sie an die bezeichnete Stelle kam, fand sie aber nichts als einen
großen Kehrichthaufen von Bohnenranken, Hobelspähnen und dergleichen.
Darüber ärgerte sie sich sehr, und nur um ihrem Manne zu zeigen,
daß er sein Zureden hätte sparen können, nahm sie eine
Bohnenranke und einige Hobelspähne mit sich. Die warf sie, als sie
wieder zu Hause gekommen war, ihrem Manne in die Werkstätte mit den
Worten: Da hast du den Juks! Aber wie verwunderten sich die guten Leute,
als sie näher die Sachen besahen, und nun auf einmal entdeckten,
daß die Bohnenranke eine schwere goldene Kette, und die Hobelspähne
lauter silberne Löffel waren. Die Frau lief nun zwar geschwinde noch
einmal in den Schuhhagen; aber sie konnte von dem Kehrichthaufen nichts
wieder auffinden.
Ein solcher Glücksbote kam auch zu einer anderen Frau, indem er ihr
eine Stelle im Schuhhagen anzeigte, wo sie einen Schatz finden werde,
der nur eine Handbreit mit Erde bedeckt sey. Weil die Frau gerade in Wochen
lag, so theilte sie ihrem Manne die Botschaft des Glücksboten mit.
Der ging denn auch zu der angezeigten Stelle; wie er aber da nichts als
einen Korb mit Fischschuppen fand, so wurde er ärgerlich, und nahm
davon eine Handvoll, die er seiner Frau mit den Worten auf das Bette warf:
da ist der Schatz! In dem Augenblicke aber sah er, daß die Fischschuppen
lauter blanke Thaler waren. Auch er ging nun zwar noch einmal zu der Stelle,
er fand aber nichts mehr dort.
Mündlich.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 235