197. Der Schatz in Demmin.
In der Stadt Demmin liegt ein großes festes Haus, von welchem die
eine Seite nach der Straße, der schnelle Lauf genannt, die andere
aber nach der Kahldischen Straße hin geht. In diesem Hause, und
zwar in einem Stalle desselben ist von alten Zeiten her ein großer
Schatz vergraben, den bisher noch kein Mensch hat heben können. Vor
ungefähr anderthalb hundert Jahren wohnte ein Apotheker in demselben,
welcher Johann Carl Treu hieß. Dem wäre es beinahe gelungen,
den Schatz zu erhalten.
Er träumte in einer Nacht von demselben, und desselbigen Tages kam
eine alte fremde Bauerfrau zu ihm, welche ihm die Stelle anzeigte, wo
er ihn finden werde; sie gebot ihm aber dabei, wie er während des
Grabens kein Wort sprechen dürfe. Der Apotheker machte sich in der
folgenden Nacht ans Graben, und weil er von der Frau gehört hatte,
daß der Schatz sehr tief liege, so mußten seine Frau und Tochter
ihm helfen, denn vor Sonnenaufgang mußten sie fertig seyn. Es dauerte
auch nicht lange, so stießen sie auf einen großen Kessel.
Allein darüber freute die Frau des Apothekers, welche hochschwanger
war, sich also, daß sie in ihrer Unvorsichtigkeit anfing zu sprechen.
Da war denn auf einmal Alles vorbei, und sie fanden in dem Kessel nichts,
als todte Kohlen. Der Teufel hatte dadurch auch so viele Macht über
sie bekommen, daß auf einmal das alte Mauerwerk, an dem sie gegraben
hatten, einstürzte, und die arme Frau nebst ihrer Tochter davon bedeckt
wurde, so daß sie kaum mit dem Leben davon kamen.
Der Apotheker Treu hat seitdem nicht wieder nach dem Schatze gegraben.
Vor ungefähr hundert Jahren kam aber auf einmal ein Mönch aus
Italien an, der hatte in der Bibliothek des Papstes im Vatican zu Rom
herausgefunden, daß der Schatz noch da sey, und wie man ihn heben
könne. Er wollte auch die Leute in Demmin hierüber belehren;
aber der Magistrat, der ihn für einen Betrüger hielt, ließ
ihn nicht zur Ausführung kommen.
Mündlich.
Vgl. auch Stolle, Geschichte der Stadt Demmin, S. 731. 732.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J.
D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 197