148. Sagen vom Schlosse zu Daber.
Das Schloß zu Daber ist sehr alt, und jetzt ganz verfallen, so
daß Keiner mehr darin wohnen kann. In uralten Zeiten sollen, wie
die Leute sagen, einmal drei vornehme Fürsten darin gewohnt haben.
Die haben ein sehr wildes und gottloses Leben geführt, nichts gethan
als Jagen, Trinken und Fluchen, und den lieben Gott haben sie ganz vergessen.
Da ist endlich Einer von ihnen plötzlich gestorben. Den haben die
beiden Anderen in dem Erbbegräbnisse auf dem Schlosse beisetzen lassen;
aber in ihrem Lebenswandel haben sie sich nicht gebessert. Darauf sind
sie denn bald ebenfalls eines jähen Todes verstorben. Von der Zeit
an ist das Schloß verfallen und es wohnen nun böse Geister
darin, welche die Leute in der Gegend die Kobolde nennen. Die treiben,
besonders des Nachts, ein schreckliches Wesen in dem alten Schlosse. Daher
wagt es auch Keiner, nach den vielen Schätzen zu suchen, die noch
darin begraben liegen sollen; denn bei Tage kann man an einen solchen
Schatz nicht ankommen. Einige Leute haben diese Kobolde auch schon gesehen.
Die alte Nachtwächterfrau, die noch jetzt zu Daber lebt, war einmal
auf den Johannistag gerade um die Mittagszeit auf das alte Schloß
gegangen, um Flieder zu pflücken, der dort viel wächst. Auf
einmal, während sie sich bückte, sah sie aus dem Schlosse drei
herrlich gekleidete Fräulein kommen, denen drei kleine Männer
folgten. Alle sechs führten einen zierlichen Tanz auf dem Hofe aus,
zu dem die Musik aus dem Schlosse kam. Nachdem das eine Weile gedauert
hatte, erschien ein großer Hund an einer goldenen Kette. Das war
der leibhaftige Teufel; denn er verwandelte sich plötzlich in einen
großen schwarzen Ritter, und fing nun mit an zu tanzen, worauf es
nicht anders war, als wenn rund umher der ganze Erdboden bis tief hin
erschüttert werde. Die alte Nachtwächterfrau hat darüber
einen solchen Schrecken bekommen, daß sie in aller Eile den Schloßsteig
heruntergegangen ist. Auf der Brücke erst ist sie still gestanden,
und hat sich umgeblickt, worauf sie denn wahrgenommen, daß aus einem
verfallenen Thurme des Schlosses eine schreckliche Gestalt herausgeblickt
hat. Das ist auch der Teufel gewesen. Er hat wie ein Drache ausgesehen,
und aus dem Munde Feuer gespieen, und auf einmal ein so furchtbares Schreien
erhoben, daß davon das ganze Schloß gezittert hat, und eine
Mauer geborsten ist. Gleich darauf hat die Glocke Eins geschlagen, und
nun ist mit einem Male Alles vorbei gewesen; der Thurm aber, aus dem der
Teufel geschrieen, ist zugleich eingestürzt. Der Teufel hat so arg
geschrieen, daß die alte Frau taub geworden ist, was sie denn auch
zum Wahrzeichen ihr Leben lang bleiben wird.
Ein andermal war ein alter Böttcher, der Bandstöcke geholt,
und sich darüber verspätet hatte, um Mitternacht an dem alten
Schlosse vorbeigekommen. Auf einmal begegneten ihm unweit desselben drei
Männer, welche feurige Hüte trugen, sonst aber ganz schwarz
waren. Die stellten sich an die Brücke, über die er mußte,
und wollten ihn nicht hinüberlassen, und droheten ihm. Anfangs graute
den alten Mann; zuletzt aber faßte er sich ein Herz, und hob an,
mit lauter Stimme das Lied zu singen:
Ihr Höllengeister, packet Euch,
Ihr habt hier nichts zu schaffen.
Da verschwanden die schwarzen Gestalten eiligst, und liefen nach dem
Schlosse zu. Oben in demselben erhoben sie ein schreckliches Geheul und
stürzten sich dann von oben in den Thurm hinab, von dem die Leute
sagen, daß früher die Gefangenen darin gesessen hätten.
Gleich darauf hörte der Böttcher ein großes Hundegebell
und dann ein fürchterliches Krachen. Der Böttcher hat dies Alles
dem Drechslermeister Habermann in Daber erzählt, der daselbst noch
lebt.
Dieser Habermann erzählt auch Folgendes: Zu dem Schlosse zu Daber
gehört ein ziemlicher See. Hier soll, wie die Leute schon von alten
Zeiten her sagen, ehemals eine große Stadt gestanden haben, die
aber nachher in den See versunken ist. Die Glocken der mit untergegangenen
Thürme kann man noch zu Zeiten hören. Nun begab es sich einmal,
erzählt Habermann, daß ein Schuhmacher, der oft aufs Land ging,
um Arbeit zu suchen, in einer Nacht etwas angetrunken aus dem Kruge zu
Plantikow kam, welches Dorf etwa eine halbe Meile von Daber liegt. Er
war kaum eine Viertelstunde gegangen, als er am Wege drei schwarze Pferde
sah, die da weideten. Er dachte, die gehörten einem Bauer aus Plantikow
zu, und in seinem trunkenen Muthe, und weil ihm das Gehen sauer wurde,
machte er sich an sie heran, und setzte sich auf eins, um so nach Hause
zu reiten. Aber auf einmal hob sich das Pferd mit ihm in die Höhe,
und flog hoch durch die Luft, daß dem Schuhmacher Hören und
Sehen verging. Erst an dem Schloßsee ließ es sich mit ihm
nieder. Es warf ihn dort ans Ufer ab, und verschwand dann in der Tiefe
des Sees. Gleich nachher hörte der Schuhmacher unten im Wasser ein
helles Glockengeläute. Die Glocken sprachen dabei ordentlich, denn
er hörte deutlich die Worte:
Anne Susanne
Wust du mit to Lanne?
O ne mi Grete,
Man immer deepe!
Die Leute meinen, daß die drei schwarzen Pferde den drei Fürsten gehört haben; Manche sagen auch, das dritte sey der Teufel selbst gewesen. Es soll auch in der Luft ganz feurig geworden seyn, und lauter Feuer von sich gespieen haben.
Mündlich.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 148