269. Die Glocke in Stargard.

Als vor alten Zeiten zu der St. Marienkirche in Stargard eine Glocke gegossen werden sollte, wurde bekannt gemacht, daß Alle, welche Pathen zu der Glocke werden wollten, zu derselben Metall bringen und in den Ofen werfen möchten, je mehr je besser. Darauf kamen viele Leute und opferten zu der Glocke, was in ihren Kräften stand. Die Reichen ließen silberne Geräthe vor sich hertragen, die sie prunkend vor ihren Augen in den Ofen werfen ließen; Andere brachten messingene Becken und Leuchter, oder auch nur einen zinnernen Teller oder einen Pfennig, wenn sie nicht mehr hatten; denn Jeder wollte sich um die Glocke ein Gotteslohn erwerben. Zuletzt kam auch eine alte Frau zu dem Ofen. Sie war ganz arm, und man wußte, daß sie gar nichts hatte. Die Leute verwunderten sich daher, was sie opfern werde, und man fing an, ihrer zu spotten. Sie kehrte sich aber nicht daran, sondern zog eine Schlange hervor, die sie in den glühenden Ofen warf, einige unverständliche Worte in die Flamme hineinmurmelnd. Was das bedeuten solle, sagte sie Keinem; aber als die Glocke fertig war und zum ersten Male anfing zu läuten, da merkte man den Segen der alten Frau. Denn von Stund' an verschwanden alle Schlangen rings um die Stadt, so weit man den Ton der Glocke hören konnte.

Mündlich.

Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 269